| Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 438 | ||||||||
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| 01 | nicht öffentlich doch heimlich der Kritik das Urteil sprechen, u. weil sie | |||||||
| 02 | sich vor dem Umsturz des Gebäudes, worinnen sie bisher so sicher zu | |||||||
| 03 | wohnen vermeinten, fürchten; so suchen sie auch andre zu überreden, | |||||||
| 04 | daß dasselbe feuerfest sei, u. man deshalb schon alle Angriffe, a pr. | |||||||
| 05 | für kraftlos ansehen könnte. Besonders schreckt man die jungen Leser | |||||||
| 06 | durch die Beschreibung des undurchsichtigen Vorhangs ab, der vor das | |||||||
| 07 | Heiligtum Ihrer Gedanken gezogen sein soll u. hindert dadurch, mehr | |||||||
| 08 | als man glauben sollte den wahren Nutzen der Ausbreitung. So steht | |||||||
| 09 | wenigstens die Sache in dem Cirkel, wo ich lebe. Daher glaube ich | |||||||
| 10 | und ist es nicht unnöthig, wenn auch ein dritter es übernimmt zu | |||||||
| 11 | zeigen, daß die Sätze Ihrer Kr. die Kräfte eines gewönlichen Verstandes | |||||||
| 12 | gar nicht übersteigen u. das Natürliche u. Wahre Ihrer Foderungen | |||||||
| 13 | desto deutlicher darzuthun. Nun sollte meine Anfrage an | |||||||
| 14 | Sie, eben dahin gehen, ob Sie selbst die nähere Beleuchtung der M. | |||||||
| 15 | Schrift übernehmen würden, u. im Fall Sie auch denn noch den Beitritt | |||||||
| 16 | mehrerer nicht für überflüssig hielten, ob Sie alsdenn die Gewogenheit | |||||||
| 17 | haben wollten, meine Gedanken durchzusehen u. zu urtheilen, | |||||||
| 18 | ob sie es verdienten der Welt bekannt gemacht zu werden? - Denn | |||||||
| 19 | eine unrichtige Auseinandersetzung Ihrer Ideen, würde in der That | |||||||
| 20 | noch schädlicher sein, als gar keine, da man wohl gar den Werth der | |||||||
| 21 | Kr. darnach bestimmen wollte, und ich glaube daher, schon um der | |||||||
| 22 | guten Sache willen, eine aufrichtige Beurteilung von Ihnen erwarten | |||||||
| 23 | zu können, im Fall Sie sich derselben unterziehen. Auch wird meine | |||||||
| 24 | Eigenliebe mich nicht verführen Ihnen zu mistrauen, Ihr Urteil falle | |||||||
| 25 | so streng aus, als es wolle. Ich würde mit der Prüfung der M. | |||||||
| 26 | Axiome anfangen, dann zu den Beweisen selbst fortgehn und vorzüglich | |||||||
| 27 | zeigen, daß die neue Wendung dem Beweise nicht die geringste | |||||||
| 28 | Stärke verleihe. Doch dieselbe furchte ich, hat Sie schon zu lange | |||||||
| 29 | aufgehalten. Ich erwarte also zuerst Ihre gütige Erlaubnis, in wie | |||||||
| 30 | fern es mir vergönt sein wird, mich weiter an Sie zuwenden. Ich | |||||||
| 31 | bin mit der größten Hochachtung | |||||||
| 32 | Ihr | |||||||
| 33 | Schüler u. Verehrer | |||||||
| 34 | Iakob | |||||||
| 35 | Magister in Halle. | |||||||
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