| Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 370 | |||||||
| Zeile: 
 | Text (Kant): 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| 01 | erfare, so weis ich gar nicht, was ich dabei sagen oder wie ich mich | ||||||
| 02 | verhalten sol. | ||||||
| 03 | Herr Schorn hat von seiner Frau Mutter vor einiger Zeit einen | ||||||
| 04 | Taler geschikt bekommen, und mich schon lange ersucht, ihn dafür auf | ||||||
| 05 | den gestrigen Stephanischen Bal gehen zu laßen. Dieses glaubte ich | ||||||
| 06 | um so viel eher zugeben zu können, da Herr Kruse, dem ich als einen | ||||||
| 07 | redlichen Mann kenne, ebenfals dahin ging. Auf diesem Bal aber | ||||||
| 08 | hat Herr Schorn vom Studenten Rudel, dessen Umgang ich mir doch | ||||||
| 09 | so oft verbeten, einen Dukaten geliehen, sich dafür einen Rausch angetrunken | ||||||
| 10 | und den Ueberrest verspielt, nachher sich in eine Kutsche gesezt | ||||||
| 11 | und ein Paar Stunden herumführen lassen, wofür jezt der Fuhrmann | ||||||
| 12 | vier Gulden fordert. Ausserdem hat er seine Uhr vor vier Taler | ||||||
| 13 | versezt, wovon er aber drei Taler einem anderen gegeben zu haben | ||||||
| 14 | versichert. | ||||||
| 15 | Ew Wohlgebornen werden es selbst einsehen, wie sehr mich diese | ||||||
| 16 | Probe eines ausserordentlichen Leichtsins nach dem gestrigen Auftrit | ||||||
| 17 | überrascht, und ich wünsche, bevor ich nach Braunsberg schreibe, Eur | ||||||
| 18 | Wolgebornen Gutachten in Betref seiner zu erfaren. Ich bin schon auf | ||||||
| 19 | den Gedanken gekommen, ob es nicht gut seyn würde einen tüchtigen | ||||||
| 20 | rechtschaffenen Man anzunehmen, der Herrn Schorn und auch die Herren | ||||||
| 21 | Siegfried in alle Kollegia begleitete, ja selbst bei ihren Vergnügungen | ||||||
| 22 | so viel als möglich zugegen wäre. Vielleicht könte ich unter vorteilhaften | ||||||
| 23 | Bedingungen Herrn Berdau einen geschikten und rechtschaffenen | ||||||
| 24 | Man, hiezu bewegen. Funfzig Taler giebt mir Amtsrat Siegfried | ||||||
| 25 | für die Repetizionen der Vorlesungen, welche ich sogleich dazu hergeben | ||||||
| 26 | kann. Herr Schorn giebt monatlich zwei Taler für den Unterricht im | ||||||
| 27 | Französischen, Berdau ist dieser Sprache volkommen gewachsen, und | ||||||
| 28 | wenn nun zu diesen vier und siebenzig Talern die Eltern sowol des | ||||||
| 29 | Herrn Schorn und des Herrn Siegfried das erforderliche zulegten, so | ||||||
| 30 | würde vielleicht hiedurch manchen abgeholfen werden. Denn ich gestehe | ||||||
| 31 | es ein, daß meine Aufmerksamkeit nicht mehr hinreicht jeden ihrer | ||||||
| 32 | Schritte zu beobachten. Indes scheint es mir auch wieder mislich, die | ||||||
| 33 | jungen Leute auf diese Weise immer nach dem Willen eines andern | ||||||
| 34 | handeln zu lassen, weil ich befürchte, daß sie sich sodan blos maschienenmässig | ||||||
| 35 | immer erst auf den Wink eines andern bequemen werden, etwas | ||||||
| 36 | Gutes zu thun. | ||||||
| [ Seite 369 ] [ Seite 371 ] [ Inhaltsverzeichnis ] | |||||||