Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 359 |
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Text (Kant):
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| 01 | großmütig vorgestrekt: Nehmen Sie unterdeßen nochmahls meinen | ||||||
| 02 | unaussprechlichsten Dank, meine Bewundrung, meine Verehrung, meine | ||||||
| 03 | Liebe dafür hin - | ||||||
| 04 | Von Berlin aus schrieb ich Ew. Wohlgeb. von einer BibliotekariatsStelle: | ||||||
| 05 | allein mein Vater war zu spät gekommen. Was meine Beförderung | ||||||
| 06 | auf andre Art betrift, als akademischer Lehrer, so werde ich | ||||||
| 07 | thun alles was ich kann, um hierin die Pflichten gegen mich selbst zu | ||||||
| 08 | erfüllen. Sollte es mir darin nicht sogleich glükken, so werde ich mir | ||||||
| 09 | suchen ein Paar hundert Thaler durch schreiben zu verdienen, und dann | ||||||
| 10 | mich auf einer Universität niederlaßen, als M. Collegia zu lesen. Ich | ||||||
| 11 | machte deswegen auch schon in Berlin mit dem Buchhändler Stahlbaum | ||||||
| 12 | einen Akkord über meine philosophischen Schriften, die ich ihm | ||||||
| 13 | im Verlag geben werde, und die zukünftige Ostermeße herauskommen | ||||||
| 14 | werden. Ich nehme daher gegenwärtig diese Arbeit vor: und bin ich | ||||||
| 15 | mit derselben fertig, so will ich mich an Aegypten machen, um meine | ||||||
| 16 | schon seit einiger Zeit im Sinne gehabten Gedanken über dieses Land | ||||||
| 17 | zu entwikkeln. | ||||||
| 18 | Ich schikke diesen Brief nach Berlin an meinen Verleger, dem | ||||||
| 19 | ich schreibe, Ew. Wohlgeb. ein Exemplar von meiner neuen Schrift | ||||||
| 20 | zugleich mit demselben zu übermachen. Ich wünschte Dero Urtheil | ||||||
| 21 | über dieselbe zu wißen. | ||||||
| 22 | Leider stehen uns vieleicht bald wieder traurige Zeiten der Schwärmerei | ||||||
| 23 | und Unwißenheit bevor; die Schwärmerei wandelt schon mit | ||||||
| 24 | mächtigen Schritten heran; es ist nicht jedem bekannt, von welchen | ||||||
| 25 | Seiten für den menschlichen Geist aufs neue solche Gefahren zu befürchten | ||||||
| 26 | sind: allein es ist beinahe gefährlich, seine aufrichtigen Gedanken | ||||||
| 27 | hierüber einem Briefe anzuvertrauen. Doch vieleicht wißen | ||||||
| 28 | Ew. Wohlgeb. hierüber schon selbst mehr als ich. | ||||||
| 29 | Mein Vater versichert Ew. Wohlgeb. seine größte Hochachtung | ||||||
| 30 | und Dankbarkeit. Ich habe den allerredlichsten Mann zum Vater: | ||||||
| 31 | seine Liebe macht mich unendlich glüklich, und in seiner Nähe fühle | ||||||
| 32 | ich eine innere süße Freude des Herzens, die einen sanften Frieden | ||||||
| 33 | über meine Seele verbreitet, so, daß ich izt, zwar wohl mit feierlichen | ||||||
| 34 | Empfindungen - aber doch nicht mit Unmuth und in aufrühriger | ||||||
| 35 | Leidenschaft, an die Stürme des Lebens zurükdenke, die ich bisher | ||||||
| 36 | ausgestanden habe. - Ob ich gleich gegenwärtig mein Schiksaal noch | ||||||
| 37 | lange nicht überwunden, und noch nicht von Besorgnißen wegen deßelben | ||||||
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