Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 338 |
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| 01 | Recension Antheil hätten, niemals geglaubt habe und nun ist es mir | ||||||
| 02 | überaus angenehm, durch Ihre Gütige Nachricht von meiner Vermuthung | ||||||
| 03 | die Bestätigung zu erlangen. Ich bin so verzärtelt und eigenliebig | ||||||
| 04 | nicht, daß mich Einwürfe und Tadel, gesetzt daß sie auch das, was | ||||||
| 05 | ich als das vorzüglichste Verdienst meiner Schrifft ansehe, beträfen, | ||||||
| 06 | aufbringen sollten, wenn nicht vorsetzliche Verhelung des Beyfallswürdigen, | ||||||
| 07 | was hin und wieder doch anzutreffen seyn möchte, und geflissentliche | ||||||
| 08 | Absicht zu schaden hervorleuchten. Auch erwarte ich Ihre | ||||||
| 09 | unverstümmelte Recension in der A. D. Bibliothek mit Vergnügen, | ||||||
| 10 | deren Besorgung Sie mir in dem vortheilhaftesten Lichte der Rechtschaffenheit | ||||||
| 11 | und Lauterkeit der Gesinnungen darstellt, die den wahren | ||||||
| 12 | Gelehrten characterisirt und welche mich jederzeit mit Hochachtung erfüllen | ||||||
| 13 | muß, Ihr Urtheil mag immerhin ausfallen wie es wolle. Auch | ||||||
| 14 | gestehe ich frey, daß ich auf eine geschwinde günstige Aufnahme meiner | ||||||
| 15 | Schrifft gleich zu Anfangs nicht gerechnet habe; denn zu diesem Zwecke | ||||||
| 16 | war der Vortrag der Materien, die ich mehr als 12 Iahre hinter | ||||||
| 17 | einander sorgfältig durchgedacht hatte, nicht der allgemeinen Faßlichkeit | ||||||
| 18 | gnugsam angemessen ausgearbeitet worden, als wozu noch wohl einige | ||||||
| 19 | Iahre erfoderlich gewesen wären, da ich hingegen ihn in etwa 4 bis | ||||||
| 20 | 5 Monathen zu Stande brachte, aus Furcht, ein so weitläuftiges Geschäfte | ||||||
| 21 | würde mir, bey längerer Zögerung, endlich selber zur Last werden | ||||||
| 22 | und meine zunehmende Iahre (da ich jetzt schon im 60sten bin) möchten | ||||||
| 23 | es mir, der ich jetzt noch das ganze System im Kopfe habe, zuletzt | ||||||
| 24 | vielleicht unmöglich machen. Auch bin ich mit dieser meiner Entschließung, | ||||||
| 25 | selbst so wie das Werk da liegt, noch jetzt gar wohl zufrieden, | ||||||
| 26 | dermaßen daß ich, um wer weiß welchen Preis, es nicht ungeschrieben | ||||||
| 27 | wissen möchte, aber auch um keinen Preis die lange Reihe | ||||||
| 28 | von Bemühungen, die dazu gehöret haben, noch einmal übernehmen | ||||||
| 29 | möchte. Die erste Betäubung, die eine Menge ganz ungewohnter Begriffe | ||||||
| 30 | und einer noch ungewöhnlichern, obzwar dazu nothwendig gehorigen | ||||||
| 31 | neuen Sprache, hervorbringen mußte, wird sich verlieren. Es | ||||||
| 32 | werden sich mit der Zeit einige Puncte aufklären (dazu vielleicht meine | ||||||
| 33 | Prolegomena etwas beytragen können). Von diesen Puncten wird | ||||||
| 34 | ein Licht auf andere Stellen geworfen werden, wozu freylich von Zeit | ||||||
| 35 | zu Zeit ein erläuternder Beytrag meiner Seits erfoderlich seyn wird, | ||||||
| 36 | und so wird das Gantze endlich übersehen und eingesehen werden, | ||||||
| 37 | wenn man nur erstlich Hand ans Werk legt und indem man von | ||||||
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