Kant: AA X, Briefwechsel 1782 , Seite 298 |
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| 01 | Getreydes hauptsachlich in Erwegung ziehet. Fällt nun die Entscheidung | ||||||
| 02 | affirmative aus für die Verschickung auf die Accademie, und sollte der | ||||||
| 03 | HE Professor Mangelsdorff jemahls einen solchen Iüngling im Hause | ||||||
| 04 | bekommen, so mag er sich vorbereiten einen jungen Menschen zu bekommen, | ||||||
| 05 | deßen Gemählde ich Ew: HochEdelgeb. schildern will indem | ||||||
| 06 | ich ihn redend aufführe und sich selbst schildern laße, wie folget: | ||||||
| 07 | Ich gehe in mein 17tes oder achtzehendes Iahr, und kan | ||||||
| 08 | weder recht lesen noch recht schreiben noch auch gut rechnen. Ich | ||||||
| 09 | denke mich aber doch klug genug. Mein Vortrag im Teütschen | ||||||
| 10 | ist schlecht, vom lateinischen habe ich nichts gelernet. Ich brauche | ||||||
| 11 | es auch nicht, denn wenn ich einmahl in Landes Angelegenheiten | ||||||
| 12 | nach Pohlen verschickt werde, so nehme ich einen Studenten oder | ||||||
| 13 | noch beßer einen Advocaten mit, warum soll ich mir also den | ||||||
| 14 | Kopf mit der dummen Sprache zerbrechen. Französisch kan ich | ||||||
| 15 | auch nicht, aber das kan ich leicht lernen. Mein Vater muß mich | ||||||
| 16 | auf ein Iahr in Französische Dienste gehen laßen. | ||||||
| 17 | Ich habe viele Begierden, davon einige schwach, einige stark | ||||||
| 18 | sind. Von der Mäßigung weiß ich nichts. Ich eße, was mir | ||||||
| 19 | schmeckt und trinke so viel ich kan. Der Eigennutz gehört vornehmlich | ||||||
| 20 | zu dem Caracter meiner DenkungsArt. Die Uberlegung | ||||||
| 21 | kan diese Fehler nicht schwächen, weil ich mit dem vielen | ||||||
| 22 | Überlegen mich gar nicht abgeben will. Wann mein Vater und | ||||||
| 23 | meine Mutter einmahl sterben, so werde ich wohl ein schönes | ||||||
| 24 | Gut bekommen, aber das ist fatal, daß ich an meine Geschwister | ||||||
| 25 | werde auszahlen müßen. Wann diese mögten sterben, so könte | ||||||
| 26 | ich recht reich und glücklich seyn. Gegen alle Hochachtung, die | ||||||
| 27 | man durch Witz und Schein des Verdienstes erlanget, bin ich | ||||||
| 28 | gleichgültig, wenn ich nur Geld habe oder auf den LandTägen | ||||||
| 29 | werde brav schreyen können, wird man mich schon achten. | ||||||
| 30 | Die Religion ist eine Neben=Sache, von der ich werde Gebrauch | ||||||
| 31 | machen wann sie mir was einbrengt z. B. bey meiner alten | ||||||
| 32 | Tante, will ich mich recht andächtig stellen, vielleicht vermacht | ||||||
| 33 | sie mir das Capital, was bey meinen Vater steht. | ||||||
| 34 | Wann ich alleine bin wird mir die Zeit sehr lang. In | ||||||
| 35 | gesellschafften führe ich gerne das Wort und rede nicht von etwas | ||||||
| 36 | lieber, als von Pferden, Iagdhunden, IagdFlinten und von | ||||||
| 37 | Maedgens. Spielen vertreibt mir auch die Zeit und die Pfeiffe | ||||||
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