| Kant: AA X, Briefwechsel 1760 , Seite 031 | |||||||
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| 01 | also kein Werk der Eitelkeit; sondern der Demuth, der Herunterlaßung. | ||||||
| 02 | Sechs Worte werden einem großen Genie so sauer, daß er 6 Tage | ||||||
| 03 | dazu braucht, und den siebenten sich ausruht. | ||||||
| 04 | Ex noto fictum carmen sequar; vt sibi quiuis | ||||||
| 05 | +l Speret idem; sudet multum, frustraque laboret | ||||||
| 06 | Ausus idem . | ||||||
| 07 | Ex noto fictum carmen sequar , Wenn Du einen Heidelbergschen | ||||||
| 08 | Catechismum schreiben willst; so fange nicht mit einem Philosophen | ||||||
| 09 | vom Herrn Christo an, denn er kennt den Mann nicht. Und wenn | ||||||
| 10 | Du Deinen Zuhörern einen Beweiß geben willst, daß die Welt gut | ||||||
| 11 | ist; so weise sie nicht auf das Gantze, denn das übersieht keiner, noch | ||||||
| 12 | auf Gott, denn das ist ein Wesen, das nur ein Blinder mit starren | ||||||
| 13 | Augen ansehen kann, und deßen Denkungsart und moralischen Charakter | ||||||
| 14 | sich nur ein eitler Mensch zu erkennen zutraut. Ein aufrichtiger Sophist | ||||||
| 15 | sagt, je länger ich dran denke, desto weniger kann ich aus ihm klug werden. | ||||||
| 16 | Ich will meinen Beweiß noch mit einem Dilemma schlüßen, und | ||||||
| 17 | Sie dadurch zur Freymüthigkeit und Offenherzigkeit gegen mich aufmuntern? | ||||||
| 18 | Warum sind Sie so zurückhaltend und blöde mit mir? und | ||||||
| 19 | warum kann ich so dreist mit Ihnen reden? Ich habe entweder mehr | ||||||
| 20 | Freundschaft für Sie als Sie für mich? oder ich habe mehr Einsicht | ||||||
| 21 | in unsere Arbeit wie Sie? Sie fürchten sich selbst zu verrathen, und | ||||||
| 22 | mir die Unlauterkeit Ihrer Absichten, oder den Mangel Ihrer Kräfte | ||||||
| 23 | zu entblößen? Denken Sie an den Bach, der seinen Schlamm auf dem | ||||||
| 24 | Grunde jeden zeigt, der in denselben sieht. Ich glaube; darum rede | ||||||
| 25 | ich. Ueberzeugen können Sie mich nicht; denn ich bin Keiner von Ihren | ||||||
| 26 | Zuhörern sondern ein Ankläger und Wiedersprecher. Glauben wollen | ||||||
| 27 | Sie auch nicht. Wenn Sie nur meine Einfälle erklären können; so | ||||||
| 28 | argwohnen Sie nicht einmal, daß Ihre Erklärungen närrischer und | ||||||
| 29 | wunderlicher als meine Einfälle sind. Ich will gern Gedult mit | ||||||
| 30 | Ihnen haben, so lange ich Hofnung haben kann Sie zu gewinnen, und | ||||||
| 31 | schwach seyn, weil Sie schwach sind. Sie müßen mich fragen und | ||||||
| 32 | nicht Sich, wenn Sie mich verstehn wollen. | ||||||
| 18. | |||||||
| 34 | An Frau Agnes Elisabeth v. Funk geb. v. Dorthöfen. | ||||||
| 35 | 6. Iuni 1760. | ||||||
| 36 | Kant, Gedanken bey dem frühzeitigen Ableben des Herrn Iohann Friedrich | ||||||
| 37 | von Funk. Königsberg 1760. - (II, 37-44) | ||||||
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