Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 236 |
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| 01 | sie sei eine Wüste. Die Sandwüsten sind beständig mit Bergen, von | ||||||
| 02 | denen sie aber durch ein dazwischen liegendes Thal abgesondert werden, | ||||||
| 03 | umgeben. | ||||||
| 04 | 2. Macht die größte Kälte, durch welche nämlich alle Werke der schöpferischen | ||||||
| 05 | Natur erstickt werden, die Länder unbewohnbar, welches dagegen | ||||||
| 06 | die Hitze keineswegs thut, indem an Örtern, wo es am heißesten | ||||||
| 07 | ist, die fruchtbarsten Gegenden, namentlich z. B. Bengalen, das trefflichste | ||||||
| 08 | Land von allen, angetroffen werden. Unter dem 70sten Grade | ||||||
| 09 | der Breite und noch früher werden die Pflanzen schon sparsam, und | ||||||
| 10 | über dem 75sten Grade hinaus findet man wenig mehr als Rennthiere | ||||||
| 11 | und Moos, von welchem letztern allein jene Rennthiere sehr | ||||||
| 12 | fett werden, obgleich es keinen Saft hat. | ||||||
| 13 | Da wir indessen bemerken, daß die Menschen mehr und stärker | ||||||
| 14 | von Thieren als von Pflanzen ernährt werden, und also vornehmlich | ||||||
| 15 | die Thiere zu ihrer Nahrung erschaffen zu sein scheinen: so wird es | ||||||
| 16 | wahrscheinlich, daß die Rauhigkeit der Kälte (insofern diese wie die | ||||||
| 17 | Wärme ihre Pole hat und sich um selbige herumzubewegen scheint, | ||||||
| 18 | wodurch nach einer gewissen Zeit das Klima verändert wird, da | ||||||
| 19 | z. B. die beiden Punkte der größten Kälte nicht auf einer Stelle | ||||||
| 20 | bleiben) den Menschen nicht verhindert, auch diese und die verschiedenartigsten | ||||||
| 21 | Gegenden zu bewohnen, indem er allenthalben seine | ||||||
| 22 | Nahrung findet, wie denn die Rennthiere in den allerkältesten Gegenden, | ||||||
| 23 | in Novajazembla und Spitzbergen, sein und leben können. | ||||||
| 24 | Der Mensch ist folglich für die ganze Erde gemacht, und eben daraus, | ||||||
| 25 | daß sein Leib von der Natur so gebildet ist, daß er durch die Gewohnheit | ||||||
| 26 | eines jeden Klimas, auch bei der größten Verschiedenheit | ||||||
| 27 | desselben, gewohnt werden kann, entsteht vielleicht zum Theil der verschiedene | ||||||
| 28 | Nationalcharakter. | ||||||
| 29 | 3. Die Steppen. Dieses sind Gegenden, in denen keine Wälder noch | ||||||
| 30 | Gewässer angetroffen werden, die im übrigen aber mehrentheils einen | ||||||
| 31 | fruchtbaren Boden haben. Auch sie müssen, wie die Sandwüsten, | ||||||
| 32 | hohe Ebenen sein, sind aber, anstatt daß erstere, wie wir sahen, mit | ||||||
| 33 | Bergen umgeben waren, zwischen zwei Flüssen eingeschlossen. Es | ||||||
| 34 | wachsen in ihnen Melonen, die schönsten Blumen, Kirschen und | ||||||
| 35 | schöne Früchte, doch alle nur auf kleinern Sträuchern, Stauden und | ||||||
| 36 | Stengeln, als diese es gewöhnlich sind. Hieraus sieht man, daß zum | ||||||
| 37 | Wachsen der Bäume nothwendig das Aufsteigen der Dünste aus den | ||||||
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