Kant: AA VIII, Das Ende aller ... , Seite 336 |
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| 01 | seliges Ende aller Dinge ausmacht; eigentlich ein Begriff, mit dem ihnen | ||||||
| 02 | zugleich der Verstand ausgeht und alles Denken selbst ein Ende hat. | ||||||
| 03 | Das Ende aller Dinge, die durch der Menschen Hände gehen, ist | ||||||
| 04 | selbst bei ihren guten Zwecken Thorheit: das ist, Gebrauch solcher Mittel | ||||||
| 05 | zu ihren Zwecken, die diesen gerade zuwider sind. Weisheit, d. i. praktische | ||||||
| 06 | Vernunft in der Angemessenheit ihrer dem Endzweck aller Dinge, | ||||||
| 07 | dem höchsten Gut, völlig entsprechenden Maßregeln, wohnt allein bei Gott; | ||||||
| 08 | und ihrer Idee nur nicht sichtbarlich entgegen zu handeln, ist das, was | ||||||
| 09 | man etwa menschliche Weisheit nennen könnte. Diese Sicherung aber | ||||||
| 10 | wider Thorheit, die der Mensch nur durch Versuche und öftre Veränderung | ||||||
| 11 | seiner Plane zu erlangen hoffen darf, ist mehr "ein Kleinod, welchem | ||||||
| 12 | auch der beste Mensch nur nachjagen kann, ob er es etwa ergreifen | ||||||
| 13 | möchte;" wovon er aber niemals sich die eigenliebige Überredung darf | ||||||
| 14 | anwandeln lassen, viel weniger darnach verfahren, als ob er es ergriffen | ||||||
| 15 | habe. - Daher auch die von Zeit zu Zeit veränderten, oft widersinnigen | ||||||
| 16 | Entwürfe zu schicklichen Mitteln, um Religion in einem ganzen Volk | ||||||
| 17 | lauter und zugleich kraftvoll zu machen; so daß man wohl ausrufen | ||||||
| 18 | kann: arme Sterbliche, bei euch ist nichts beständig, als die Unbeständigkeit! | ||||||
| 20 | Wenn es indeß mit diesen Versuchen doch endlich einmal so weit gediehen | ||||||
| 21 | ist, daß das Gemeinwesen fähig und geneigt ist, nicht bloß den hergebrachten | ||||||
| 22 | frommen Lehren, sondern auch der durch sie erleuchteten praktischen | ||||||
| 23 | Vernunft (wie es zu einer Religion auch schlechterdings nothwendig | ||||||
| 24 | ist) Gehör zu geben; wenn die (auf menschliche Art) Weisen unter dem | ||||||
| 25 | Volk nicht durch unter sich genommene Abreden (als ein Klerus), sondern | ||||||
| 26 | als Mitbürger Entwürfe machen und darin größtentheils übereinkommen, | ||||||
| 27 | welche auf unverdächtige Art beweisen, daß ihnen um Wahrheit zu thun | ||||||
| 28 | sei; und das Volk wohl auch im Ganzen (wenn gleich noch nicht im kleinsten | ||||||
| 29 | Detail) durch das allgemein gefühlte, nicht auf Autorität gegründete Bedürfniß | ||||||
| 30 | der nothwendigen Anbauung seiner moralischen Anlage daran | ||||||
| 31 | Interesse nimmt: so scheint nichts rathsamer zu sein, als Jene nur machen | ||||||
| 32 | und ihren Gang fortsetzen zu lassen, da sie einmal, was die Idee betrifft, | ||||||
| 33 | der sie nachgehn, auf gutem Wege sind; was aber den Erfolg aus den | ||||||
| 34 | zum besten Endzweck gewählten Mitteln betrifft, da dieser, wie er nach | ||||||
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