Kant: AA VIII, Über das Mißlingen ... , Seite 259

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auf den Schranken der Natur der Menschen, als endlicher Wesen, gründe.      
  02 - Aber dadurch würde jenes Böse selbst gerechtfertigt werden; und man      
  03 müßte, da es nicht als die Schuld der Menschen ihnen zugerechnet werden      
  04 kann, aufhören es ein moralisches Böse zu nennen.      
           
  05 c) Die dritte Beantwortung: daß, gesetzt auch, es ruhe wirklich mit      
  06 dem, was wir moralisch böse nennen, eine Schuld auf dem Menschen, doch      
  07 Gott keine beigemessen werden müsse, weil er jenes als That der Menschen      
  08 aus weisen Ursachen bloß zugelassen, keineswegs aber für sich gebilligt      
  09 und gewollt oder veranstaltet hat, - läuft (wenn man auch an dem Begriffe      
  10 des bloßen Zulassens eines Wesens, welches ganz und alleiniger      
  11 Urheber der Welt ist, keinen Anstoß nehmen will) doch mit der vorigen      
  12 Apologie (b) auf einerlei Folge hinaus: nämlich daß, da es selbst Gott      
  13 unmöglich war dieses Böse zu verhindern, ohne anderweitigen höhern und      
  14 selbst moralischen Zwecken Abbruch zu thun, der Grund dieses Übels (denn      
  15 so müßte man es eigentlich nun nennen) unvermeidlich in dem Wesen der      
  16 Dinge, nämlich den nothwendigen Schranken der Menschheit als endlicher      
  17 Natur, zu suchen sein müsse, mithin ihr auch nicht zugerechnet werden könne.      
           
  18 II Auf die Beschwerde, die wider die göttliche Gütigkeit aus den      
  19 Übeln, nämlich Schmerzen, in dieser Welt erhoben wird, besteht nun die      
  20 Rechtfertigung derselben gleichfalls.      
           
  21 a) darin: daß in den Schicksalen der Menschen ein Übergewicht des      
  22 Übels über den angenehmen Genuß des Lebens fälschlich angenommen      
  23 werde, weil doch ein Jeder, so schlimm es ihm auch ergeht, lieber leben      
  24 als todt sein will, und diejenigen Wenigen, die das letztere beschließen, so      
  25 lange sie es selbst aufschoben, selbst dadurch noch immer jenes Übergewicht      
  26 eingestehen und, wenn sie zum letztern thöricht genug sind, auch alsdann      
  27 bloß in den Zustand der Nichtempfindung übergehen, in welchem ebenfalls      
  28 kein Schmerz gefühlt werden könne. - Allein man kann die Beantwortung      
  29 dieser Sophisterei sicher dem Ausspruche eines jeden Menschen      
  30 von gesundem Verstande, der lange genug gelebt und über den Werth des      
  31 Lebens nachgedacht hat, um hierüber ein Urtheil fällen zu können, überlassen,      
  32 wenn man ihn fragt: ob er wohl, ich will nicht sagen auf dieselbe,      
  33 sondern auf jede andre ihm beliebige Bedingungen (nur nicht etwa einer      
  34 Feen=, sondern dieser unserer Erdenwelt) das Spiel des Lebens noch einmal      
  35 durchzuspielen Lust hätte.      
           
  36 b) Auf die zweite Rechtfertigung: daß nämlich das Übergewicht der      
  37 schmerzhaften Gefühle über die angenehmen von der Natur eines thierischen      
           
     

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