Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 247 |
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| 01 | zwischen den Gegnern derselben herrscht, nur eine versteckte Zwietracht sei, | ||||||
| 02 | indem sie in Ansehung des Princips, welches sie an jener ihre Stelle | ||||||
| 03 | setzen wollen, himmelweit aus einander sind. Es würde daher ein belustigendes, | ||||||
| 04 | zugleich auch belehrendes Spiel abgeben, wenn sie ihren | ||||||
| 05 | Streit mit ihrem gemeinschaftlichen Feinde auf einige Zeit bei Seite zu | ||||||
| 06 | setzen, dafür aber sich vorher über die Grundsätze, welche sie dagegen annehmen | ||||||
| 07 | wollten, zu einigen verabredeten; aber sie würden damit eben so | ||||||
| 08 | wenig wie der, welcher die Brücke längs dem Strome statt quer über denselben | ||||||
| 09 | zu schlagen meinte, jemals zu Ende kommen. | ||||||
| 10 | Bei der Anarchie, welche unter dem philosophirenden Volke unvermeidlicher | ||||||
| 11 | Weise herrscht, weil es blos ein unsichtbares Ding, die Vernunft, | ||||||
| 12 | für seinen alleinigen Oberherrn erkennt, ist es immer eine Nothhülfe gewesen, | ||||||
| 13 | den unruhigen Haufen um irgend einen großen Mann, als den | ||||||
| 14 | Vereinigungspunkt, zu versammlen. Allein diesen zu verstehen, war für | ||||||
| 15 | die, welche ihren eigenen Verstand nicht mitbrachten, oder ihn zu brauchen | ||||||
| 16 | nicht Lust hatten, oder, ob es ihnen gleich an beidem nicht mangelte, sich | ||||||
| 17 | doch anstellten, als ob sie den ihrigen nur von einem anderen zu Lehne | ||||||
| 18 | trügen, eine Schwierigkeit, welche eine daurende Verfassung zu erzeugen | ||||||
| 19 | bisher verhinderte und noch eine gute Zeit wenigstens sehr erschweren wird. | ||||||
| 20 | Des Herrn von Leibniz Metaphysik enthielt vornehmlich drei Eigenthümlichkeiten: | ||||||
| 21 | 1. den Satz des zureichenden Grundes, und zwar so fern | ||||||
| 22 | er blos die Unzulänglichkeit des Satzes des Widerspruchs zum Erkenntnisse | ||||||
| 23 | nothwendiger Wahrheiten anzeigen sollte; 2. die Monadenlehre; 3. die | ||||||
| 24 | Lehre von der vorherbestimmten Harmonie. Wegen dieser drei Principien | ||||||
| 25 | ist er von vielen Gegnern, die ihn nicht verstanden, gezwackt, aber auch (wie | ||||||
| 26 | ein großer Kenner und würdiger Lobredner desselben bei einer gewissen | ||||||
| 27 | Gelegenheit sagt) von seinen vorgeblichen Anhängern und Auslegern | ||||||
| 28 | mißhandelt worden; wie es auch andern Philosophen des Alterthums | ||||||
| 29 | ergangen ist, die wohl hätten sagen können: Gott bewahre uns nur vor | ||||||
| 30 | unseren Freunden; vor unseren Feinden wollen wir uns wohl selbst in | ||||||
| 31 | Acht nehmen. | ||||||
| 32 | I Ist es wohl glaublich, daß Leibniz seinen Satz des zureichenden | ||||||
| 33 | Grundes objectiv (als Naturgesetz) habe verstanden wissen wollen, indem | ||||||
| 34 | er eine große Wichtigkeit in diesem, als Zusatze zur bisherigen Philosophie | ||||||
| 35 | setzte? Er ist ja so allgemein bekannt und (unter gehörigen Einschränkungen) | ||||||
| 36 | so augenscheinlich klar, daß auch der schlechteste Kopf damit nicht eine | ||||||
| 37 | neue Entdeckung gemacht zu haben glauben kann; auch ist er von ihn mißverstehenden | ||||||
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