Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 235

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Trägt es sich aber zu, daß Herr Eberhard wie von ungefähr auf      
  02 ein Beispiel aus der Metaphysik stößt, so verunglückt er damit jederzeit      
  03 und zwar so, daß es gerade das Gegentheil von dem beweiset, was er dadurch      
  04 hat bestätigen wollen. Oben hatte er beweisen wollen, daß es außer      
  05 dem Satze des Widerspruchs noch ein anderes Princip der Möglichkeit      
  06 der Dinge geben müsse, und sagt doch, daß dieses aus dem Satze des      
  07 Widerspruchs gefolgert werden müßte, wie er es denn auch wirklich      
  08 davon abzuleiten versucht. Nun sagt er S. 319: "Der Satz: Alles Nothwendige      
  09 ist ewig, alle nothwendige Wahrheiten sind ewige Wahrheiten,      
  10 ist augenscheinlich ein synthetischer Satz, und doch kann er a priori      
  11 erkannt werden." Er ist aber augenscheinlich analytisch, und man      
  12 kann aus diesem Beispiele hinreichend ersehen, welchen verkehrten Begriff      
  13 sich Herr Eberhard von diesem Unterschiede der Sätze, den er doch so aus      
  14 dem Grunde zu kennen vorgiebt, noch immer mache. Denn Wahrheit      
  15 wird er doch nicht als ein besonderes in der Zeit existirendes Ding ansehen      
  16 wollen, dessen Dasein entweder ewig sei, oder nur eine gewisse Zeit      
  17 daure. Daß alle Körper ausgedehnt sind, ist nothwendig und ewig wahr,      
  18 sie selbst mögen nun existiren oder nicht, kurz oder lange, oder auch alle      
  19 Zeit hindurch, d. i. ewig, existiren. Der Satz will nur sagen: sie hängen      
  20 nicht von der Erfahrung ab (die zu irgend einer Zeit angestellt werden      
  21 muß) und sind also auf gar keine Zeitbedingung beschränkt, d. i. sie sind      
  22 a priori als Wahrheiten erkennbar, welches mit dem Satze: sie sind als      
  23 nothwendige Wahrheiten erkennbar, ganz identisch ist.      
           
  24 Eben so ist es auch mit dem S. 325 angeführten Beispiele bewandt,      
  25 wobei man zugleich ein Beispiel seiner Genauigkeit in Berufung auf Sätze      
  26 der Kritik bemerken muß, indem er sagt: "Ich sehe nicht, wie man der      
  27 Metaphysik alle synthetische Urtheile absprechen wolle." Nun hat die      
  28 Kritik, weit gefehlt dieses zu thun, vielmehr (wie schon vorher gemeldet      
  29 worden) ein ganzes und in der That vollständiges System solcher Urtheile      
  30 als wahrer Grundsätze aufgeführt; nur hat sie zugleich gezeigt, daß diese      
  31 insgesammt nur die synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung      
  32 (als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung) aussagen und      
  33 also auch lediglich auf Gegenstände, so fern sie in der Anschauung gegeben      
  34 werden können, anwendbar sind. Das metaphysische Beispiel, was er      
  35 nun von synthetischen Sätzen a priori, doch mit der behutsamen Einschränkung:      
  36 wenn die Metaphysik einen solchen Satz bewiese, anführt:      
  37 "Alle endliche Dinge sind veränderlich, und: das unendliche Ding ist unveränderlich",      
           
     

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