Kant: AA VIII, Über den Gebrauch ... , Seite 161 |
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| 01 | die, wie mich dünkt, blos aus dem Mißverstande des Princips, wovon ich | ||||||
| 02 | ausgehe, herrühren. Zwar findet es der berühmte Mann gleich anfangs | ||||||
| 03 | mißlich, vorher ein Princip festzusetzen, nach welchem sich der Naturforscher | ||||||
| 04 | sogar im Suchen und Beobachten solle leiten lassen, und vornehmlich | ||||||
| 05 | ein solches, was die Beobachtung auf eine dadurch zu befördernde | ||||||
| 06 | Naturgeschichte zum Unterschiede von der bloßen Naturbeschreibung | ||||||
| 07 | richtete, so wie diese Unterscheidung selbst unstatthaft. Allein diese Mißhelligkeit | ||||||
| 08 | läßt sich leicht heben. | ||||||
| 09 | Was die erste Bedenklichkeit betrifft, so ist wohl ungezweifelt gewiß, | ||||||
| 10 | daß durch bloßes empirisches Herumtappen ohne ein leitendes Princip, | ||||||
| 11 | wornach man zu suchen habe, nichts Zweckmäßiges jemals würde gefunden | ||||||
| 12 | werden; denn Erfahrung methodisch anstellen, heißt allein beobachten. | ||||||
| 13 | Ich danke für den blos empirischen Reisenden und seine Erzählung, vornehmlich | ||||||
| 14 | wenn es um eine zusammenhängende Erkenntniß zu thun ist, | ||||||
| 15 | daraus die Vernunft etwas zum Behuf einer Theorie machen soll. Gemeiniglich | ||||||
| 16 | antwortet er, wenn man wonach frägt: ich hätte das wohl bemerken | ||||||
| 17 | können, wenn ich gewußt hätte, daß man darnach fragen würde. Folgt | ||||||
| 18 | doch Herr F. selbst der Leitung des Linneischen Princips der Beharrlichkeit | ||||||
| 19 | des Charakters der Befruchtungstheile an Gewächsen, ohne welches | ||||||
| 20 | die systematische Naturbeschreibung des Pflanzenreichs nicht so rühmlich | ||||||
| 21 | würde geordnet und erweitert worden sein. Daß manche so unvorsichtig | ||||||
| 22 | sind, ihre Ideen in die Beobachtung selbst hineinzutragen, (und, wie es | ||||||
| 23 | auch wohl dem großen Naturkenner selbst widerfuhr, die Ähnlichkeit jener | ||||||
| 24 | Charaktere gewissen Beispielen zufolge für eine Anzeige der Ähnlichkeit der | ||||||
| 25 | Kräfte der Pflanzen zu halten), ist leider sehr wahr, so wie die Lection | ||||||
| 26 | für rasche Vernünftler (die uns beide vermuthlich nichts angeht) ganz | ||||||
| 27 | wohl gegründet; allein dieser Mißbrauch kann die Gültigkeit der Regel | ||||||
| 28 | doch nicht aufheben. | ||||||
| 29 | Was aber den bezweifelten, ja gar schlechthin verworfenen Unterschied | ||||||
| 30 | zwischen Naturbeschreibung und Naturgeschichte betrifft, so würde, | ||||||
| 31 | wenn man unter der letzteren eine Erzählung von Naturbegebenheiten, | ||||||
| 32 | wohin keine menschliche Vernunft reicht, z. B. das erste Entstehen der | ||||||
| 33 | Pflanzen und Thiere, verstehen wollte, eine solche freilich, wie Hr. F. sagt, | ||||||
| 34 | eine Wissenschaft für Götter, die gegenwärtig, oder selbst Urheber waren, | ||||||
| 35 | und nicht für Menschen sein. Allein nur den Zusammenhang gewisser | ||||||
| 36 | jetziger Beschaffenheiten der Naturdinge mit ihren Ursachen in der ältern | ||||||
| 37 | Zeit nach Wirkungsgesetzen, die wir nicht erdichten, sondern aus den | ||||||
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