Kant: AA VIII, Über die Vulkane im ... , Seite 072 |
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| 01 | für Ströme ausmachen, aber nicht vulkanisch sind, so viel Ähnlichkeit hat: | ||||||
| 02 | so könne man vermuthen, daß er auch in Ansehung der auf der Erde | ||||||
| 03 | befindlichen vulkanischen Kraters ähnlich gebildet sei. Zwar können wir | ||||||
| 04 | diese letztern im Monde nicht sehen; aber es sind doch in der Mondsnacht | ||||||
| 05 | selbst leuchtende Punkte, als Beweise eines Feuers auf demselben, wahrgenommen | ||||||
| 06 | worden, die sich am besten aus dieser nach der Analogie zu vermuthenden | ||||||
| 07 | Ursache erklären lassen*). | ||||||
| 08 | Diese kleine Zweideutigkeit in der Folgerung obgedachter berühmter | ||||||
| 09 | Männer nun bei Seite gesetzt, - welcher Ursache kann man denn die auf | ||||||
| 10 | der Erdfläche so durchgängig anzutreffenden nichtvulkanischen Kraters, | ||||||
| 11 | nämlich die Bassins zu Strömen, zuschreiben? Eruptionen müssen hier | ||||||
| 12 | natürlicher Weise zum Grunde gelegt werden; aber vulkanisch konnten sie | ||||||
| 13 | nicht sein, weil die Gebirge, welche den Rand derselben ausmachen, keine | ||||||
| 14 | Materien solcher Art enthalten, sondern aus einer wässerichten Mischung | ||||||
| 15 | entstanden zu sein scheinen. Ich denke: daß, wenn man sich die Erde ursprünglich | ||||||
| 16 | als ein im Wasser aufgelösetes Chaos vorstellt, die ersten | ||||||
| 17 | Eruptionen, die allerwärts, selbst aus der größten Tiefe entspringen mußten, | ||||||
| 18 | atmosphärisch (im eigentlichen Sinn des Worts) gewesen sein werden. | ||||||
| 19 | Denn man kann sehr wohl annehmen: daß unser Luftmeer (Aërosphäre), | ||||||
| 20 | das sich jetzt über der Erdfläche befindet, vorher mit den übrigen Materien | ||||||
| 21 | der Erdmasse in einem Chaos vermischt gewesen; daß es zusammt vielen | ||||||
| 22 | andern elastischen Dünsten aus der erhitzten Kugel gleichsam in großen | ||||||
| 23 | Blasen ausgebrochen; in diese Ebullition (davon kein Theil der Erdfläche | ||||||
| 24 | frei war) die Materien, welche die ursprünglichen Gebirge ausmachen, | ||||||
| 25 | kraterförmig ausgeworfen und dadurch die Grundlage zu allen Bassins | ||||||
| 26 | der Ströme, womit als den Maschen eines Netzes das ganze feste Land | ||||||
| 27 | durchwirkt ist, gelegt habe. Jene Ränder, da sie aus Materie, die im | ||||||
| 28 | Wasser erweicht war, bestanden, mußten ihr Auflösungswasser allmählig | ||||||
| 29 | fahren lassen, welches beim Ablaufen die Einschnitte ausspülte, wodurch | ||||||
| 30 | sich jene Ränder, die jetzt gebirgig und sägeförmig sind, von den vulkanischen, | ||||||
| 31 | die einen fortgehenden Rücken vorstellen, unterscheiden. Diese uranfänglichen | ||||||
| 32 | Gebirge bestehen nun, nachdem andere Materien, die sich nicht so | ||||||
| *) Beccaria hielt die aus den ringförmigen Mondserhöhungen strahlenweise auslaufenden Rücken für Lavaströme; aber der ganz ungeheure Unterschied derselben von denen, die aus den Vulkanen unserer Erde fließen, in Ansehung ihrer Größe widerlegt diese Meinung und macht es wahrscheinlich: daß sie Bergketten sind, die so wie die auf unserer Erde aus einem Hauptstamm der Gebirge strahlenweise auslaufen. | |||||||
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