Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 306 |
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| 01 | 2. Die Cultur der Gesellschaft und Verfeinerung derselben durch die Weiblichkeit. | ||||||
| 03 | I Als die Natur dem weiblichen Schooße ihr theurestes Unterpfand, | ||||||
| 04 | nämlich die Species, in der Leibesfrucht anvertrauete, durch die sich die | ||||||
| 05 | Gattung fortpflanzen und verewigen sollte, so fürchtete sie gleichsam wegen | ||||||
| 06 | Erhaltung derselben und pflanzte diese Furcht, nämlich vor körperlichen | ||||||
| 07 | Verletzungen und Schüchternheit vor dergleichen Gefahren, in ihre | ||||||
| 08 | Natur; durch welche Schwäche dieses Geschlecht das männliche rechtmäßig | ||||||
| 09 | zum Schutze für sich auffordert. | ||||||
| 10 | II Da sie auch die feineren Empfindungen, die zur Cultur gehören, | ||||||
| 11 | nämlich die der Geselligkeit und Wohlanständigkeit, einflößen wollte, | ||||||
| 12 | machte sie dieses Geschlecht zum Beherrscher des männlichen durch seine | ||||||
| 13 | Sittsamkeit, Beredtheit in Sprache und Mienen, früh gescheut, mit Ansprüchen | ||||||
| 14 | auf sanfte, höfliche Begegnung des männlichen gegen dasselbe, | ||||||
| 15 | so daß sich das letztere durch seine eigene Großmuth von einem Kinde unsichtbar | ||||||
| 16 | gefesselt und, wenn gleich dadurch eben nicht zur Moralität selbst, | ||||||
| 17 | doch zu dem, was ihr Kleid ist, dem gesitteten Anstande, der zu jener die | ||||||
| 18 | Vorbereitung und Empfehlung ist, gebracht sah. | ||||||
| 19 | Zerstreute Anmerkungen. |
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| 20 | Die Frau will herrschen, der Mann beherrscht sein (vornehmlich vor | ||||||
| 21 | der Ehe). Daher die Galanterie der alten Ritterschaft. - Sie setzt früh | ||||||
| 22 | in sich selbst Zuversicht zu gefallen. Der Jüngling besorgt immer zu mißfallen | ||||||
| 23 | und ist daher in Gesellschaft der Damen verlegen (genirt). - Diesen | ||||||
| 24 | Stolz des Weibes, durch den Respect, den es einflößt, alle Zudringlichkeit | ||||||
| 25 | des Mannes abzuhalten, und das Recht, Achtung vor sich auch | ||||||
| 26 | ohne Verdienste zu fordern, behauptet sie schon aus dem Titel ihres Geschlechts. | ||||||
| 27 | Das Weib ist weigernd, der Mann bewerbend; ihre Unterwerfung | ||||||
| 28 | ist Gunst. - Die Natur will, daß das Weib gesucht werde; | ||||||
| 29 | daher mußte sie selbst nicht so delicat in der Wahl (nach Geschmack) sein, | ||||||
| 30 | als der Mann, den die Natur auch gröber gebauet hat, und der dem Weibe | ||||||
| 31 | schon gefällt, wenn er nur Kraft und Tüchtigkeit zu ihrer Vertheidigung | ||||||
| 32 | in seiner Gestalt zeigt; denn wäre sie in Ansehung der Schönheit seiner | ||||||
| 33 | Gestalt ekel und fein in der Wahl, um sich verlieben zu können, so müßte | ||||||
| 34 | Sie sich bewerbend, Er aber sich weigernd zeigen; welches den Werth ihres | ||||||
| 35 | Geschlechts selbst in den Augen des Mannes gänzlich herabsetzen würde. | ||||||
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