Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 272 |
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| 01 | Triebfedern sein mögen, sind doch in Ansehung dessen, was die Vernunft | ||||||
| 02 | dem Menschen vorschreibt, lauter Schwächen. Daher das Vermögen | ||||||
| 03 | des gescheuten Mannes, jene zu seinen Absichten zu gebrauchen, verhältnißmäßig | ||||||
| 04 | desto kleiner sein darf, je größer die Leidenschaft ist, die den | ||||||
| 05 | andern Menschen beherrscht. | ||||||
| 06 | Ehrsucht ist die Schwäche der Menschen, wegen der man auf sie | ||||||
| 07 | durch ihre Meinung, Herrschsucht durch ihre Furcht und Habsucht durch | ||||||
| 08 | ihr eigenes Interesse Einfluß haben kann. - Allerwärts ein Sklavensinn, | ||||||
| 09 | durch den, wenn sich ein Anderer desselben bemächtigt, er das Vermögen | ||||||
| 10 | hat, ihn durch seine eigenen Neigungen zu seinen Absichten zu gebrauchen. | ||||||
| 11 | Das Bewußtsein aber dieses Vermögens an sich und des | ||||||
| 12 | Besitzes der Mittel seine Neigungen zu befriedigen erregt die Leidenschaft | ||||||
| 13 | mehr noch, als der Gebrauch derselben. | ||||||
| 14 | a. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 484) ] | |||||
| 15 | Ehrsucht. |
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| 16 | § 85. Sie ist nicht Ehrliebe, eine Hochschätzung, die der Mensch | ||||||
| 17 | von Anderen wegen seines inneren (moralischen) Werths erwarten darf, | ||||||
| 18 | sondern Bestreben nach Ehrenruf, wo es am Schein genug ist. Man | ||||||
| 19 | darf dem Hochmuth (einem Ansinnen an Andere, sich selbst in Vergleichung | ||||||
| 20 | mit uns selbst gering zu schätzen, eine Thorheit, die ihrem eigenen Zweck | ||||||
| 21 | zuwider handelt) - diesem Hochmuth, sage ich, darf man nur schmeicheln, | ||||||
| 22 | so hat man durch diese Leidenschaft des Thoren über ihn Gewalt. | ||||||
| 23 | Schmeichler*), Jaherren, die einem bedeutenden Mann gern das große | ||||||
| 24 | Wort einräumen, nähren diese ihn schwach machende Leidenschaft und sind | ||||||
| 25 | die Verderber der Großen und Mächtigen, die sich diesem Zauber hingeben. | ||||||
| 27 | Hochmuth ist eine verfehlte, ihrem eigenen Zweck entgegen handelnde | ||||||
| 28 | Ehrbegierde und kann nicht als ein absichtliches Mittel, andere Menschen | ||||||
| *) Das Wort Schmeichler hat wohl uranfänglich Schmiegler heißen sollen (einen, der sich schmiegt und biegt), um einen einbilderischen Mächtigen selbst durch seinen Hochmuth nach Belieben zu leiten; so wie das Wort Heuchler (eigentlich sollte es Häuchler geschrieben werden) einen seine fromme Demuth vor einem vielvermögenden Geistlichen durch in seine Rede gemischte Stoßseufzer vorspiegelnden Betrüger - hat bedeuten sollen. | |||||||
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