Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 270 |
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| 01 | Princip des Gebrauchs oder Mißbrauchs, den Menschen von ihrer Person | ||||||
| 02 | und Freiheit unter einander machen, da ein Mensch den Anderen blos zum | ||||||
| 03 | Mittel seiner Zwecke macht, classificirt zu werden verdienen. - Leidenschaften | ||||||
| 04 | gehen eigentlich nur auf Menschen und können auch nur durch sie | ||||||
| 05 | befriedigt werden. | ||||||
| 06 | Diese Leidenschaften sind Ehrsucht, Herrschsucht, Habsucht. | ||||||
| 07 | Da sie Neigungen sind, welche blos auf den Besitz der Mittel gehen, | ||||||
| 08 | um alle Neigungen, welche unmittelbar den Zweck betreffen, zu befriedigen, | ||||||
| 09 | so haben sie in so fern den Anstrich der Vernunft: nämlich der Idee eines | ||||||
| 10 | mit der Freiheit verbundenen Vermögens, durch welches allein Zwecke | ||||||
| 11 | überhaupt erreicht werden können, nachzustreben. Der Besitz der Mittel | ||||||
| 12 | zu beliebigen Absichten reicht allerdings viel weiter, als die auf eine | ||||||
| 13 | einzelne Neigung und deren Befriedigung gerichtete Neigung. - Sie | ||||||
| 14 | können auch daher Neigungen des Wahnes genannt werden, welcher darin | ||||||
| 15 | besteht: die bloße Meinung Anderer vom Werthe der Dinge dem wirklichen | ||||||
| 16 | Werthe gleich zu schätzen. | ||||||
| 17 | B. |
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| 18 | Von der Rachbegierde als Leidenschaft. |
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| 19 | § 83. Da Leidenschaften nur von Menschen auf Menschen gerichtete | ||||||
| 20 | Neigungen sein können, so fern diese auf mit einander zusammenstimmende | ||||||
| 21 | oder einander widerstreitende Zwecke gerichtet, d. i. Liebe oder Ha | ||||||
| 22 | sind; der Rechtsbegriff aber, weil er unmittelbar aus dem Begriff der | ||||||
| 23 | äußern Freiheit hervorgeht, weit wichtiger und den Willen weit stärker | ||||||
| 24 | bewegender Antrieb ist, als der des Wohlwollens; so ist der Haß aus dem | ||||||
| 25 | erlittenen Unrecht, d. i. die Rachbegierde, eine Leidenschaft, welche aus | ||||||
| 26 | der Natur des Menschen unwiderstehlich hervorgeht, und, so bösartig sie | ||||||
| 27 | auch ist, doch die Maxime der Vernunft vermöge der erlaubten Rechtsbegierde, | ||||||
| 28 | deren Analogon jene ist, mit der Neigung verflochten und eben | ||||||
| 29 | dadurch eine der heftigsten und am tiefsten sich einwurzelnden Leidenschaften; | ||||||
| 30 | die, wenn sie erloschen zu sein scheint, doch immer noch ingeheim | ||||||
| 31 | einen Haß, Groll genannt, als ein unter der Asche glimmendes Feuer | ||||||
| 32 | überbleiben läßt. | ||||||
| 33 | Die Begierde, in einem Zustande mit seinen Mitmenschen und in | ||||||
| 34 | Verhältniß zu ihnen zu sein, da jedem das zu Theil werden kann, was | ||||||
| 35 | das Recht will, ist freilich keine Leidenschaft, sondern ein Bestimmungsgrund | ||||||
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