Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 241 |
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| 01 | auf eine allgemeine Regel für das Gefühl der Lust fähig ist. Von der | ||||||
| 02 | Sinnenempfindung, die nach Verschiedenheit der Sinnesfähigkeit der Subjecte | ||||||
| 03 | sehr verschieden sein kann, darf man eine solche allgemeine Regel nicht | ||||||
| 04 | erwarten. - Man kann also den Geschmack so erklären: "Geschmack ist das | ||||||
| 05 | Vermögen der ästhetischen Urtheilskraft, allgemeingültig zu wählen." | ||||||
| 06 | Er ist also ein Vermögen der gesellschaftlichen Beurtheilung | ||||||
| 07 | äußerer Gegenstände in der Einbildungskraft. - Hier fühlt das Gemüth | ||||||
| 08 | seine Freiheit im Spiele der Einbildungen (also der Sinnlichkeit); denn | ||||||
| 09 | die Socialität mit andern Menschen setzt Freiheit voraus, - und dieses | ||||||
| 10 | Gefühl ist Lust. - Aber die Allgemeingültigkeit dieser Lust für jedermann, | ||||||
| 11 | durch welche die Wahl mit Geschmack (des Schönen) sich von der | ||||||
| 12 | Wahl durch bloße Sinnenempfindung (des blos subjectiv Gefallenden), | ||||||
| 13 | d. i. des Angenehmen, unterscheidet, führt den Begriff eines Gesetzes bei | ||||||
| 14 | sich; denn nur nach diesem kann die Gültigkeit des Wohlgefallens für den | ||||||
| 15 | Beurtheilenden allgemein sein. Das Vermögen der Vorstellung des Allgemeinen | ||||||
| 16 | aber ist der Verstand. Also ist das Geschmacksurtheil sowohl | ||||||
| 17 | ein ästhetisches, als ein Verstandesurtheil, aber in beider Vereinigung | ||||||
| 18 | (mithin das letztere nicht als rein) gedacht. - Die Beurtheilung eines | ||||||
| 19 | Gegenstandes durch Geschmack ist ein Urtheil über die Einstimmung oder | ||||||
| 20 | den Widerstreit der Freiheit im Spiele der Einbildungskraft und der | ||||||
| 21 | Gesetzmäßigkeit des Verstandes und geht also nur die Form (diese Vereinbarkeit | ||||||
| 22 | der Sinnenvorstellungen) ästhetisch zu beurtheilen, nicht | ||||||
| 23 | Producte, in welchen jene wahrgenommen wird, hervorzubringen an; denn | ||||||
| 24 | das wäre Genie, dessen aufbrausende Lebhaftigkeit durch die Sittsamkeit | ||||||
| 25 | des Geschmacks gemäßigt und eingeschränkt zu werden oft bedarf. | ||||||
| 26 | Schönheit ist allein das, was für den Geschmack gehört; das Erhabene | ||||||
| 27 | gehört zwar auch zur ästhetischen Beurtheilung, aber nicht für den | ||||||
| 28 | Geschmack. Aber es kann und soll die Vorstellung des Erhabenen doch | ||||||
| 29 | an sich schön sein; sonst ist sie rauh, barbarisch und geschmackwidrig. | ||||||
| 30 | Selbst die Darstellung des Bösen oder Häßlichen (z. B. der Gestalt des | ||||||
| 31 | personificirten Todes bei Milton) kann und muß schön sein, wenn einmal | ||||||
| 32 | ein Gegenstand ästhetisch vorgestellt werden soll, und wenn es auch ein | ||||||
| 33 | Thersites wäre; denn sonst bewirkt sie entweder Unschmackhaftigkeit oder | ||||||
| 34 | Ekel: welche beide das Bestreben enthalten eine Vorstellung, die zum Genu | ||||||
| 35 | dargeboten wird, von sich zu stoßen, da hingegen Schönheit den | ||||||
| 36 | Begriff der Einladung zur innigsten Vereinigung mit dem Gegenstande, | ||||||
| 37 | d. i. zum unmittelbaren Genuß, bei sich führt. - Mit dem Ausdruck einer | ||||||
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