Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 222 |
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| 01 | indem das Gegentheil des Beifallswürdigen mit scheinbaren Lobsprüchen | ||||||
| 02 | erhoben wird (Persiflage): z. B. "Swift's Kunst in der Poesie zu kriechen" | ||||||
| 03 | oder Butler's Hudibras; ein solcher Witz, das Verächtliche durch | ||||||
| 04 | den Contrast noch verächtlicher zu machen, ist durch die Überraschung des | ||||||
| 05 | Unerwarteten sehr aufmunternd; aber doch immer nur ein Spiel und | ||||||
| 06 | leichter Witz (wie der des Voltaire); dagegen der, welcher wahre und wichtige | ||||||
| 07 | Grundsätze in der Einkleidung aufstellt (wie Young in seinen Satiren), | ||||||
| 08 | ein centnerschwerer Witz genannt werden kann, weil es ein Geschäfte ist | ||||||
| 09 | und mehr Bewunderung als Belustigung erregt. | ||||||
| 10 | Ein Sprichwort ( proverbium ) ist kein Witzwort ( bon mot ): denn | ||||||
| 11 | es ist eine gemein gewordene Formel, welche einen Gedanken ausdrückt, | ||||||
| 12 | der durch Nachahmung fortgepflanzt wird und im Munde des Ersten | ||||||
| 13 | wohl ein Witzwort gewesen sein kann. Durch Sprichwörter reden ist daher | ||||||
| 14 | die Sprache des Pöbels und beweiset den gänzlichen Mangel des | ||||||
| 15 | Witzes im Umgange mit der feineren Welt. | ||||||
| 16 | Gründlichkeit ist zwar nicht eine Sache des Witzes; aber sofern dieser | ||||||
| 17 | durch das Bildliche, was er den Gedanken anhängt, ein Vehikel oder Hülle | ||||||
| 18 | für die Vernunft und deren Handhabung für ihre moralisch=praktischen | ||||||
| 19 | Ideen sein kann, läßt sich ein gründlicher Witz (zum Unterschiede des | ||||||
| 20 | seichten) denken. Als eine von den, wie es heißt, bewunderungswürdigen | ||||||
| 21 | Sentenzen Samuel Johnsons über Weiber wird die in Wallers Leben | ||||||
| 22 | angeführt: "Er lobte ohne Zweifel viele, die er sich zu heirathen würde | ||||||
| 23 | gescheut haben, und heirathete vielleicht eine, die er sich geschämt haben | ||||||
| 24 | würde zu loben." Das Spielende der Antithese macht hier das ganze | ||||||
| 25 | Bewundernswürdige aus; die Vernunft gewinnt dadurch nichts. - Wo | ||||||
| 26 | es aber auf streitige Fragen für die Vernunft ankam, da konnte sein | ||||||
| 27 | Freund Boswell keinen von ihm so unablässig gesuchten Orakelsspruch | ||||||
| 28 | herauslocken, der den mindesten Witz verrathen hätte; sondern alles, was | ||||||
| 29 | er über die Zweifler im Punkte der Religion, oder des Rechts einer Regierung, | ||||||
| 30 | oder auch nur die menschliche Freiheit überhaupt herausbrachte, | ||||||
| 31 | fiel bei seinem natürlichen und durch Verwöhnung von Schmeichlern eingewurzelten | ||||||
| 32 | Despotism des Absprechens auf plumpe Grobheit hinaus, die | ||||||
| 33 | seine Verehrer Rauhigkeit*) zu nennen belieben; die aber sein großes | ||||||
| *) Boswell erzählt, daß, da ein gewisser Lord in seiner Gegenwart sein Bedauern äußerte, daß Johnson nicht eine feinere Erziehung gehabt hätte, Baretti gesagt habe: "Nein, nein, Mylord! Sie hätten mit ihm machen mögen, was sie gewollt, [Seitenumbruch] er wäre immer ein Bär geblieben." "Doch wohl ein Tanzbär?" sagte der Andere, welches ein Dritter, sein Freund, dadurch zu mildern vermeinte, daß er sagte: "Er hat nichts vom Bären als das Fell." | |||||||
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