Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 212 |
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| 01 | oder auch nur eben zur blos mechanischen Nachahmung äußerer, | ||||||
| 02 | durch Thiere möglicher Handlungen (Sägen, Graben etc.) zureicht, heißt | ||||||
| 03 | Blödsinnigkeit und kann nicht wohl Seelenkrankheit, sondern eher | ||||||
| 04 | Seelenlosigkeit betitelt werden. | ||||||
| 05 | C. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 210)] | |||||
| 06 | Von den Gemüthskrankheiten. |
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| 07 | § 50. Die oberste Eintheilung ist, wie bereits oben bemerkt worden, | ||||||
| 08 | die in Grillenkrankheit (Hypochondrie) und das gestörte Gemüth | ||||||
| 09 | (Manie). Die Benennung der ersteren ist von der Analogie des Aufmerkens | ||||||
| 10 | auf den tschirpenden Laut einer Heime (Hausgrille) in der Stille | ||||||
| 11 | der Nacht hergenommen, welcher die Ruhe des Gemüths stört, die zum | ||||||
| 12 | Schlafen erfordert wird. Die Krankheit des Hypochondristen besteht nun | ||||||
| 13 | darin: daß gewisse innere körperliche Empfindungen nicht sowohl ein wirklich | ||||||
| 14 | vorhandenes Übel im Körper entdecken, als vielmehr es nur besorgen | ||||||
| 15 | lassen und die menschliche Natur von der besonderen Beschaffenheit ist (die | ||||||
| 16 | das Thier nicht hat), durch Aufmerksamkeit auf gewisse locale Eindrücke | ||||||
| 17 | das Gefühl derselben zu verstärken oder auch anhaltend zu machen; da | ||||||
| 18 | hingegen eine entweder vorsetzliche oder durch andere, zerstreuende Beschäftigungen | ||||||
| 19 | bewirkte Abstraction jene nachlassen und, wenn die letztere | ||||||
| 20 | habituell wird, gar wegbleiben macht.*) Auf solche Weise wird die Hypochondrie | ||||||
| 21 | als Grillenkrankheit die Ursache von Einbildungen körperlicher | ||||||
| 22 | Übel, von denen sich der Patient bewußt ist, daß es Einbildungen sind, | ||||||
| 23 | von Zeit zu Zeit aber sich nicht entbrechen kann, sie für etwas wirkliches | ||||||
| 24 | zu halten, oder umgekehrt aus einem Wirklichen körperlichen Übel (wie das | ||||||
| 25 | der Beklommenheit aus eingenommenen blähenden Speisen nach der | ||||||
| 26 | Mahlzeit) sich Einbildungen von allerlei bedenklichen äußeren Begegnissen | ||||||
| 27 | und Sorgen über seine Geschäfte zu machen, die sobald verschwinden, | ||||||
| 28 | als nach vollendeter Verdauung die Blähung aufgehört hat. - - Der | ||||||
| 29 | Hypochondrist ist ein Grillenfänger (Phantast) von der kümmerlichsten | ||||||
| 30 | Art: eigensinnig, sich seine Einbildungen nicht ausreden zu lassen, und | ||||||
| 31 | dem Arzt immer zu Halse gehend, der mit ihm seine liebe Noth hat, ihn | ||||||
| *) Ich habe in einer anderen Schrift angemerkt: daß Abwendung der Aufmerksamkeit von gewissen schmerzhaften Empfindungen und Anstrengung derselben auf irgend einen andern, willkürlich in Gedanken gefaßten Gegenstand vermögend ist, jene so weit abzuwehren: daß sie nicht in Krankheit ausschlagen können. | |||||||
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