Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 211 |
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| 01 | zuzumuthen, daß sie sich selbst in Vergleichung mit mir gering schätzen | ||||||
| 02 | sollen, und so werden sie mir immer Querstreiche spielen, die meine Absicht | ||||||
| 03 | vereiteln. Das hat aber nur Auslachen zur Folge. Aber in dieser | ||||||
| 04 | Zumuthung steckt auch Beleidigung, und diese bewirkt verdienten Haß. | ||||||
| 05 | Das Wort Närrin, gegen ein Frauenzimmer gebraucht, hat nicht die | ||||||
| 06 | harte Bedeutung: weil ein Mann durch die eitle Anmaßung des letzteren | ||||||
| 07 | nicht glaubt beleidigt werden zu können. Und so scheint Narrheit blos an | ||||||
| 08 | den Begriff des Hochmuths eines Mannes gebunden zu sein. - Wenn man | ||||||
| 09 | den, der sich selbst (zeitlich oder ewig) schadet, einen Narren nennt, folglich | ||||||
| 10 | in die Verachtung desselben Haß mischt, ob er zwar uns nicht beleidigt | ||||||
| 11 | hat, so muß man sie sich als Beleidigung der Menschheit überhaupt, folglich | ||||||
| 12 | als gegen einen Anderen ausgeübt denken. Wer seinem eigenen rechtmäßigen | ||||||
| 13 | Vortheil gerade entgegen handelt, wird auch bisweilen Narr genannt, | ||||||
| 14 | ob er zwar nur sich allein schadet. Arouet, der Vater des Voltaire, | ||||||
| 15 | sagte zu jemanden, der ihm zu seinen vortheilhaft bekannten Söhnen | ||||||
| 16 | gratulirte: "Ich habe zwei Narren zu Söhnen, der eine ist ein Narr in | ||||||
| 17 | Prose, der andere in Versen" (der eine hatte sich in den Jansenism geworfen | ||||||
| 18 | und wurde verfolgt, der andere mußte seine Spottgedichte mit der | ||||||
| 19 | Bastille büßen). Überhaupt setzt der Thor einen größern Werth in | ||||||
| 20 | Dinge, der Narr in sich selbst, als er vernünftigerweise thun sollte. | ||||||
| 21 | Die Betitelung eines Menschen als Laffen oder Gecken legt auch | ||||||
| 22 | den Begriff ihrer Unklugheit als Narrheit zum Grunde. Der erste ist | ||||||
| 23 | ein junger, der andere ein alter Narr; beide von Schelmen oder Schälken | ||||||
| 24 | verleitet, wo der erstere doch noch Mitleiden, der andere aber bitteres | ||||||
| 25 | Hohnlachen auf sich zieht. Ein witziger deutscher Philosoph und Dichter | ||||||
| 26 | machte die Titel fat und sot (unter dem Gemeinnamen fou ) durch ein | ||||||
| 27 | Beispiel begreiflich: "Der erstere, sagt er, ist ein junger Deutsche, der nach | ||||||
| 28 | Paris zieht; der zweite ist eben derselbe, nachdem er eben von Paris zurückgekommen | ||||||
| 29 | ist." | ||||||
| 30 | Die gänzliche Gemüthsschwäche, die entweder selbst nicht zum thierischen | ||||||
| 31 | Gebrauch der Lebenskraft (wie bei den Cretinen des Walliserlandes), | ||||||
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