Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 158 |
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| 01 | der Analogie wegen gleichfalls Ekel genannt, ob er gleich zum inneren | ||||||
| 02 | Sinn gehört. | ||||||
| 03 | Geruch ist gleichsam ein Geschmack in der Ferne, und andere werden | ||||||
| 04 | gezwungen, mit zu genießen, sie mögen wollen oder nicht, und darum ist | ||||||
| 05 | er als der Freiheit zuwider weniger gesellig als der Geschmack, wo unter | ||||||
| 06 | vielen Schüsseln oder Bouteillen der Gast Eine nach seiner Behaglichkeit | ||||||
| 07 | wählen kann, ohne daß Andere genöthigt werden, davon mit zu genießen. | ||||||
| 08 | Schmutz scheint nicht sowohl durch das Widrige fürs Auge und die Zunge, | ||||||
| 09 | als vielmehr durch den davon zu vermuthenden Gestank Ekel zu erwecken. | ||||||
| 10 | Denn die Einnehmung durch den Geruch (in die Lungen) ist noch inniglicher, | ||||||
| 11 | als die durch die einsaugenden Gefäße des Mundes oder des | ||||||
| 12 | Schlundes. | ||||||
| 13 | Je stärker die Sinne bei eben demselben Grade des auf sie geschehenen | ||||||
| 14 | Einflusses sich afficirt fühlen, desto weniger lehren sie. Umgekehrt: | ||||||
| 15 | wenn sie viel lehren sollen, müssen sie mäßig afficiren. Im stärksten Licht | ||||||
| 16 | sieht (unterscheidet) man nichts, und eine stentorisch angestrengte Stimme | ||||||
| 17 | betäubt (unterdrückt das Denken). | ||||||
| 18 | Je empfänglicher der Vitalsinn für Eindrücke ist (je zärtlicher und | ||||||
| 19 | empfindlicher), desto unglücklicher ist der Mensch; je empfänglicher für | ||||||
| 20 | den Organsinn (empfindsamer), dagegen abgehärteter für den Vitalsinn | ||||||
| 21 | der Mensch ist, desto glücklicher ist er; - ich sage glücklicher, nicht eben | ||||||
| 22 | moralisch=besser; - denn er hat das Gefühl seines Wohlseins mehr in | ||||||
| 23 | seiner Gewalt. Die Empfindungsfähigkeit aus Stärke ( sensibilitas | ||||||
| 24 | sthenica ) kann man zarte Empfindsamkeit, die aus Schwäche des | ||||||
| 25 | Subjects, dem Eindringen der Sinneneinflüsse ins Bewußtsein nicht hinreichend | ||||||
| 26 | widerstehen zu können, d. i. wider Willen darauf zu attendiren, | ||||||
| 27 | zärtliche Empfindlichkeit ( sensibilitas asthenica ) nennen. | ||||||
| 28 | Fragen. |
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| 29 | § 22. Welcher Organsinn ist der undankbarste und scheint auch der | ||||||
| 30 | entbehrlichste zu sein? Der des Geruchs. Es belohnt nicht, ihn zu cultiviren | ||||||
| 31 | oder wohl gar zu verfeinern, um zu genießen; denn es giebt mehr | ||||||
| 32 | Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreichern Örtern), als der | ||||||
| 33 | Annehmlichkeit, die er verschaffen kann, und der Genuß durch diesen Sinn | ||||||
| 34 | kann immer auch nur flüchtig und vorübergehend sein, wenn er vergnügen | ||||||
| 35 | soll. - Aber als negative Bindung des Wohlseins, um nicht schädliche | ||||||
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