Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 130 |
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| 01 | selbst Beifall klatscht und den Probirstein des Schönen der Kunst nur in | ||||||
| 02 | sich allein sucht. | ||||||
| 03 | Endlich ist der moralische Egoist der, welcher alle Zwecke auf sich | ||||||
| 04 | selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt, | ||||||
| 05 | auch wohl als Eudämonist blos im Nutzen und der eigenen Glückseligkeit, | ||||||
| 06 | nicht in der Pflichtvorstellung den obersten Bestimmungsgrund seines Willens | ||||||
| 07 | setzt. Denn weil jeder andere Mensch sich auch andere Begriffe von | ||||||
| 08 | dem macht, was er zur Glückseligkeit rechnet, so ists gerade der Egoism, | ||||||
| 09 | der es so weit bringt, gar keinen Probirstein des ächten Pflichtbegriffs zu | ||||||
| 10 | haben, als welcher durchaus ein allgemein geltendes Princip sein muß. | ||||||
| 11 | Alle Eudämonisten sind daher praktische Egoisten. | ||||||
| 12 | Dem Egoism kann nur der Pluralism entgegengesetzt werden, d. i. | ||||||
| 13 | die Denkungsart: sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, | ||||||
| 14 | sondern als einen bloßen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten. | ||||||
| 15 | So viel gehört davon zur Anthropologie. Denn was diesen Unterschied | ||||||
| 16 | nach metaphysischen Begriffen betrifft, so liegt er ganz außer dem Felde | ||||||
| 17 | der hier abzuhandelnden Wissenschaft. Wenn nämlich blos die Frage | ||||||
| 18 | wäre, ob ich als denkendes Wesen außer meinem Dasein noch das Dasein | ||||||
| 19 | eines Ganzen anderer, mit mir in Gemeinschaft stehender Wesen (Welt | ||||||
| 20 | genannt) anzunehmen Ursache habe, so ist sie nicht anthropologisch, sondern | ||||||
| 21 | blos metaphysisch. | ||||||
| 22 | Anmerkung. |
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| 23 | Über die Förmlichkeit der egoistischen Sprache. |
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| 24 | Die Sprache des Staatsoberhaupts zum Volk ist in unseren Zeiten | ||||||
| 25 | gewöhnlich pluralistisch (Wir N. von Gottes Gnaden u. s. w.). Es frägt | ||||||
| 26 | sich, ob der Sinn hiebei nicht vielmehr egoistisch, d. i. eigene Machtvollkommenheit | ||||||
| 27 | anzeigend, und eben dasselbe bedeuten solle, was der König | ||||||
| 28 | von Spanien mit seinem Io, el Rey (Ich, der König) sagt. Es scheint | ||||||
| 29 | aber doch: daß jene Förmlichkeit der höchsten Autorität ursprünglich habe | ||||||
| 30 | Herablassung (Wir, der König und sein Rath oder die Stände) andeuten | ||||||
| 31 | sollen. - Wie ist es aber zugegangen, daß die wechselseitige Anrede, | ||||||
| 32 | welche in den alten, classischen Sprachen durch Du, mithin unitarisch | ||||||
| 33 | ausgedrückt wurde, von verschiedenen, vornehmlich germanischen | ||||||
| 34 | Völkern pluralistisch durch Ihr bezeichnet worden? wozu die Deutschen | ||||||
| 35 | noch zwei, eine größere Auszeichnung der Person, mit der man spricht, | ||||||
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