Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 128 |
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| 01 | ist der rohe Anfang des Fortschreitens von Wahrnehmungen (Apprehension | ||||||
| 02 | der Empfindungsvorstellung), um sie zum Erkenntniß der Gegenstände | ||||||
| 03 | der Sinne, d.i. der Erfahrung, zu erweitern. | ||||||
| 04 | Daß ferner, wenn es nun zu sprechen versucht, das Radbrechen der | ||||||
| 05 | Wörter es für Mütter und Ammen so liebenswürdig und diese geneigt | ||||||
| 06 | macht, es beständig zu herzen und zu küssen, es auch wohl durch Erfüllung | ||||||
| 07 | jedes Wunsches und Willens zum kleinen Befehlshaber zu verziehen: diese | ||||||
| 08 | Liebenswürdigkeit des Geschöpfs im Zeitraum seiner Entwickelung zur | ||||||
| 09 | Menschheit muß wohl auf Rechnung seiner Unschuld und Offenheit aller | ||||||
| 10 | seiner noch fehlerhaften Äußerungen, wobei noch kein Hehl und nichts Arges | ||||||
| 11 | ist, einerseits, andrerseits aber auf den natürlichen Hang der Ammen | ||||||
| 12 | zum Wohlthun an einem Geschöpf, welches einschmeichelnd sich des andern | ||||||
| 13 | Willkür gänzlich überläßt, geschrieben werden, da ihm eine Spielzeit eingewilligt | ||||||
| 14 | wird, die glücklichste unter allen, wobei der Erzieher dadurch, | ||||||
| 15 | daß er sich selber gleichsam zum Kinde macht, diese Annehmlichkeit nochmals | ||||||
| 16 | genießt. | ||||||
| 17 | Die Erinnerung seiner Kinderjahre reicht aber bei weitem nicht | ||||||
| 18 | bis an jene Zeit, weil sie nicht die Zeit der Erfahrungen, sondern blos | ||||||
| 19 | zerstreuter, unter den Begriff des Objects noch nicht vereinigter Wahrnehmungen | ||||||
| 20 | war. | ||||||
| 21 | Vom Egoism. |
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| 22 | § 2. Von dem Tage an, da der Mensch anfängt durch Ich zu sprechen, | ||||||
| 23 | bringt er sein geliebtes Selbst, wo er nur darf, zum Vorschein, und | ||||||
| 24 | der Egoism schreitet unaufhaltsam fort; wenn nicht offenbar (denn da | ||||||
| 25 | widersteht ihm der Egoism Anderer), doch verdeckt, um mit scheinbarer | ||||||
| 26 | Selbstverleugnung und vorgeblicher Bescheidenheit sich desto sicherer im | ||||||
| 27 | Urtheil Anderer einen vorzüglichen Werth zu geben. | ||||||
| 28 | Der Egoism kann dreierlei Anmaßungen enthalten: die des Verstandes, | ||||||
| 29 | des Geschmacks und des praktischen Interesse, d. i. er kann logisch | ||||||
| 30 | oder ästhetisch oder praktisch sein. | ||||||
| 31 | Der logische Egoist hält es für unnöthig, sein Urtheil auch am Verstande | ||||||
| 32 | Anderer zu prüfen; gleich als ob er dieses Probirsteins ( criterium | ||||||
| 33 | veritatis extrenum) gar nicht bedürfte. Es ist aber gewiß, daß wir dieses | ||||||
| 34 | Mittel, uns der Wahrheit unseres Urtheils zu versichern, nicht entbehren | ||||||
| 35 | können, daß es vielleicht der wichtigste Grund ist, warum das gelehrte Volk | ||||||
| 36 | so dringend nach der Freiheit der Feder schreit; weil, wenn diese verweigert | ||||||
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