Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 023 |
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| 01 | erleichtern, angesehen zu werden und haben gar keine Autorität; selbst | ||||||
| 02 | dadurch nicht, daß sich etwa die vornehmsten Gelehrten von einem gewissen | ||||||
| 03 | Fache darüber geeinigt haben, ein solches Buch statt Norm für ihre | ||||||
| 04 | Facultät gelten zu lassen, wozu sie gar nicht befugt sind, sondern sie einstweilen | ||||||
| 05 | als Lehrmethode einzuführen, die aber nach Zeitumständen veränderlich | ||||||
| 06 | bleibt und überhaupt auch nur das Formale des Vortrags betreffen | ||||||
| 07 | kann, im Materialen der Gesetzgebung aber schlechterdings nichts ausmacht. | ||||||
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| 09 | Daher schöpft der biblische Theolog (als zur obern Facultät gehörig) | ||||||
| 10 | seine Lehren nicht aus der Vernunft, sondern aus der Bibel, der Rechtslehrer | ||||||
| 11 | nicht aus dem Naturrecht, sondern aus dem Landrecht, der Arzneigelehrte | ||||||
| 12 | seine ins Publicum gehende Heilmethode nicht aus der | ||||||
| 13 | Physik des menschlichen Körpers, sondern aus der Medicinalordnung. | ||||||
| 14 | - So bald eine dieser Facultäten etwas als aus der Vernunft Entlehntes | ||||||
| 15 | einzumischen wagt: so verletzt sie die Autorität der durch sie gebietenden | ||||||
| 16 | Regierung und kommt ins Gehege der philosophischen, die ihr alle | ||||||
| 17 | glänzende von jener geborgte Federn ohne Verschonen abzieht und mit ihr | ||||||
| 18 | nach dem Fuß der Gleichheit und Freiheit verfährt.- Daher müssen die | ||||||
| 19 | obern Facultäten am meisten darauf bedacht sein, sich mit der untern ja | ||||||
| 20 | nicht in Mißheirath einzulassen, sondern sie fein weit in ehrerbietiger | ||||||
| 21 | Entfernung von sich abzuhalten, damit das Ansehen ihrer Statute nicht | ||||||
| 22 | durch die freien Vernünfteleien der letzteren Abbruch leide. | ||||||
| 23 | A. |
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| 24 | Eigenthümlichkeit der theologischen Facultät. |
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| 25 | Daß ein Gott sei, beweiset der biblische Theolog daraus, daß er in | ||||||
| 26 | der Bibel geredet hat, worin diese auch von seiner Natur (selbst bis dahin, | ||||||
| 27 | wo die Vernunft mit der Schrift nicht Schritt halten kann, z.B. vom | ||||||
| 28 | unerreichbaren Geheimniß seiner dreifachen Persönlichkeit) spricht. Da | ||||||
| 29 | aber Gott selbst durch die Bibel geredet habe, kann und darf, weil es eine | ||||||
| 30 | Geschichtssache ist, der biblische Theolog als ein solcher nicht beweisen; | ||||||
| 31 | denn das gehört zur philosophischen Facultät. Er wird es also als Glaubenssache | ||||||
| 32 | auf ein gewisses (freilich nicht erweisliches oder erklärliches) | ||||||
| 33 | Gefühl der Göttlichkeit derselben selbst für den Gelehrten gründen, die | ||||||
| 34 | Frage aber wegen dieser Göttlichkeit (im buchstäblichen Sinne genommen) | ||||||
| 35 | des Ursprungs derselben im öffentlichen Vortrage ans Volk gar nicht aufwerfen | ||||||
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