Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 022 |
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| 01 | und die verschlossensten Willensmeinungen der Unterthanen, jene | ||||||
| 02 | zu entdecken, diese zu lenken, den größten Einfluß haben; durch die, so sich | ||||||
| 03 | aufs zweite beziehen, ihr äußeres Verhalten unter dem Zügel öffentlicher | ||||||
| 04 | Gesetze halten; durch die dritte sich die Existenz eines starken und zahlreichen | ||||||
| 05 | Volks sichern, welches sie zu ihren Absichten brauchbar findet. | ||||||
| 06 | -Nach der Vernunft würde also wohl die gewöhnlich angenommene | ||||||
| 07 | Rangordnung unter den oberen Facultäten Statt finden; nämlich zuerst | ||||||
| 08 | die theologische, darauf die der Juristen, und zuletzt die medicinische | ||||||
| 09 | Facultät. Nach dem Naturinstinkt hingegen würde dem Menschen | ||||||
| 10 | der Arzt der wichtigste Mann sein, weil dieser ihm sein Leben fristet, darauf | ||||||
| 11 | auf allererst der Rechtserfahrene, der ihm das zufällige Seine zu erhalten | ||||||
| 12 | verspricht, und nur zuletzt (fast nur, wenn es zum Sterben kommt), ob es | ||||||
| 13 | zwar um die Seligkeit zu thun ist, der Geistliche gesucht werden: weil auch | ||||||
| 14 | dieser selbst, so sehr er auch die Glückseligkeit der künftigen Welt preiset, | ||||||
| 15 | doch, da er nichts von ihr vor sich sieht, sehnlich wünscht, von dem Arzt in | ||||||
| 16 | diesem Jammerthal immer noch einige Zeit erhalten zu werden. | ||||||
| 17 | Alle drei obere Facultäten gründen die ihnen von der Regierung anvertraute | ||||||
| 18 | Lehren auf Schrift, welches im Zustande eines durch Gelehrsamkeit | ||||||
| 19 | geleiteten Volks auch nicht anders sein kann, weil ohne diese es | ||||||
| 20 | keine beständige, für jedermann zugängliche Norm, darnach es sich richten | ||||||
| 21 | könnte, geben würde. Daß eine solche Schrift (oder Buch) Statute, d.i. d. i. | ||||||
| 22 | von der Willkür eines Obern ausgehende (für sich selbst nicht aus der | ||||||
| 23 | Vernunft entspringende) Lehren, enthalten müsse, versteht sich von selbst, | ||||||
| 24 | weil diese sonst nicht als von der Regierung sanctionirt schlechthin Gehorsam | ||||||
| 25 | fordern könnte, und dieses gilt auch von dem Gesetzbuche selbst in | ||||||
| 26 | Ansehung derjenigen öffentlich vorzutragenden Lehren, die zugleich aus | ||||||
| 27 | der Vernunft abgeleitet werden könnten, auf deren Ansehen aber jenes | ||||||
| 28 | keine Rücksicht nimmt, sondern den Befehl eines äußeren Gesetzgebers zum | ||||||
| 29 | Grunde legt. -Von dem Gesetzbuch, als dem Kanon, sind diejenigen | ||||||
| 30 | Bücher, welche als (vermeintlich) vollständiger Auszug des Geistes des | ||||||
| 31 | Gesetzbuchs zum faßlichern Begriff und sicherern Gebrauch des gemeinen | ||||||
| 32 | Wesens (der Gelehrten und Ungelehrten) von den Facultäten abgefaßt | ||||||
| 33 | werden, wie etwa die symbolischen Bücher, gänzlich unterschieden. | ||||||
| 34 | Sie können nur verlangen als Organon, um den Zugang zu jenem zu | ||||||
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