| Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 480 | |||||||
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| 01 | was uns Andere geben, keine Tugendmaxime begründen. Denn diese besteht | ||||||
| 02 | gerade in der subjectiven Autonomie der praktischen Vernunft eines | ||||||
| 03 | jeden Menschen, mithin daß nicht Anderer Menschen Verhalten, sondern | ||||||
| 04 | das Gesetz uns zur Triebfeder dienen müsse. Daher wird der Erzieher | ||||||
| 05 | seinem verunarteten Lehrling nicht sagen: Nimm ein Exempel an jenem | ||||||
| 06 | guten (ordentlichen, fleißigen) Knaben! denn das wird jenem nur zur Ursache | ||||||
| 07 | dienen, diesen zu hassen, weil er durch ihn in ein nachtheiliges Licht | ||||||
| 08 | gestellt wird. Das gute Exempel (der exemplarische Wandel) soll nicht | ||||||
| 09 | als Muster, sondern nur zum Beweise der Thunlichkeit des Pflichtmäßigen | ||||||
| 10 | dienen. Also nicht die Vergleichung mit irgend einem andern Menschen | ||||||
| 11 | (wie er ist), sondern mit der Idee (der Menschheit), wie er sein soll, also | ||||||
| 12 | mit dem Gesetz, muß dem Lehrer das nie fehlende Richtmaß seiner Erziehung | ||||||
| 13 | an die Hand geben. | ||||||
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| 16 | Der Lehrer = L. frägt die Vernunft seines Schülers = S. dasjenige | ||||||
| 17 | ab, was er ihn lehren will, und wenn dieser etwa nicht die | ||||||
| 18 | Frage zu beantworten wüßte = 0, so legt er sie ihm (seine Vernunft | ||||||
| 19 | leitend) in den Mund. | ||||||
| 20 | 1. L. Was ist dein größtes, ja dein ganzes Verlangen im Leben? S. | ||||||
| 21 | 0. - L. Daß es dir Alles und immer nach Wunsch und Willen | ||||||
| 22 | gehe. | ||||||
| 23 | 2. L. Wie nennt man einen solchen Zustand? S. 0. L. Man nennt | ||||||
| 24 | ihn Glückseligkeit (das beständige Wohlergehen, vergnügtes Leben, | ||||||
| 25 | völlige Zufriedenheit mit seinem Zustande). | ||||||
| 26 | 3. L. Wenn du nun alle Glückseligkeit (die in der Welt möglich ist) in | ||||||
| 27 | deiner Hand hättest, würdest du sie alle für dich behalten, oder sie | ||||||
| 28 | auch deinen Nebenmenschen mittheilen? - S. Ich würde sie mittheilen, | ||||||
| 29 | Andere auch glücklich und zufrieden machen. | ||||||
| 30 | 4. L. Das beweist nun wohl, daß du noch so ziemlich ein gutes Herz | ||||||
| 31 | hast; laß aber sehen, ob du dabei auch guten Verstand zeigest. | ||||||
| 32 | Würdest du wohl dem Faullenzer weiche Polster verschaffen, damit | ||||||
| 33 | nach Begriffen ( abstractum ) enthalten vorgestellt, und blos theoretische Darstellung | ||||||
| 34 | eines Begriffs. | ||||||
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