Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 247 |
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| 01 | Man kann dieses Postulat ein Erlaubnißgesetz ( lex permissiva ) der | ||||||
| 02 | praktischen Vernunft nennen, was uns die Befugniß giebt, die wir aus | ||||||
| 03 | bloßen Begriffen vom Rechte überhaupt nicht herausbringen könnten: | ||||||
| 04 | nämlich allen andern eine Verbindlichkeit aufzulegen, die sie sonst nicht | ||||||
| 05 | hätten, sich des Gebrauchs gewisser Gegenstände unserer Willkür zu enthalten, | ||||||
| 06 | weil wir zuerst sie in unseren Besitz genommen haben. Die Vernunft | ||||||
| 07 | will, daß dieses als Grundsatz gelte, und das zwar als praktische | ||||||
| 08 | Vernunft, die sich durch dieses ihr Postulat a priori erweitert. | ||||||
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| 10 | Im Besitze eines Gegenstandes muß derjenige sein, der eine Sache | ||||||
| 11 | als das Seine zu haben behaupten will; denn wäre er nicht in demselben: | ||||||
| 12 | so könnte er nicht durch den Gebrauch, den der andere ohne seine Einwilligung | ||||||
| 13 | davon macht, lädirt werden: weil, wenn diesen Gegenstand | ||||||
| 14 | etwas außer ihm, was mit ihm gar nicht rechtlich verbunden ist, afficirt, | ||||||
| 15 | es ihn selbst (das Subject) nicht afficiren und ihm unrecht thun könnte. | ||||||
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| 18 | Der äußeren Gegenstände meiner Willkür können nur drei sein: | ||||||
| 19 | 1) eine (körperliche) Sache außer mir; 2) die Willkür eines anderen zu | ||||||
| 20 | einer bestimmten That ( praestatio ); 3) der Zustand eines Anderen in | ||||||
| 21 | Verhältniß auf mich; nach den Kategorien der Substanz, Causalität | ||||||
| 22 | und Gemeinschaft zwischen mir und äußeren Gegenständen nach Freiheitsgesetzen. | ||||||
| 24 | a) Ich kann einen Gegenstand im Raume (eine körperliche Sache) | ||||||
| 25 | nicht mein nennen, außer wenn, obgleich ich nicht im physischen | ||||||
| 26 | Besitz desselben bin, ich dennoch in einem anderen wirklichen | ||||||
| 27 | (also nicht physischen) Besitz desselben zu sein behaupten darf. | ||||||
| 28 | So werde ich einen Apfel nicht darum mein nennen, weil ich ihn | ||||||
| 29 | in meiner Hand habe (physisch besitze), sondern nur, wenn ich sagen | ||||||
| 30 | kann: ich besitze ihn, ob ich ihn gleich aus meiner Hand, wohin es | ||||||
| 31 | auch sei, gelegt habe; imgleichen werde ich von dem Boden, auf den | ||||||
| 32 | ich mich gelagert habe, nicht sagen können, er sei darum mein; sondern | ||||||
| 33 | nur, wenn ich behaupten darf, er sei immer noch in meinem | ||||||
| 34 | Besitz, ob ich gleich diesen Platz verlassen habe. Denn der, welcher | ||||||
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