| Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 053 | |||||||
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| 01 | einführen wollten, so ist die Wirkung davon nach der Ordnung der | ||||||
| 02 | vier obbenannten Classen: 1) der vermeinten inneren Erfahrung (Gnadenwirkungen) | ||||||
| 03 | Schwärmerei, 2) der angeblichen äußeren Erfahrung | ||||||
| 04 | (Wunder) Aberglaube, 3) der gewähnten Verstandeserleuchtung in | ||||||
| 05 | Ansehung des Übernatürlichen (Geheimnisse) Illuminatism, Adeptenwahn, | ||||||
| 06 | 4) der gewagten Versuche aufs Übernatürliche hin zu wirken (Gnadenmittel) | ||||||
| 07 | Thaumaturgie, lauter Verirrungen einer über ihre Schranken | ||||||
| 08 | hinausgehenden Vernunft und zwar in vermeintlich moralischer (gottgefälliger) | ||||||
| 09 | Absicht. - Was aber diese allgemeine Anmerkung zum ersten | ||||||
| 10 | Stück gegenwärtiger Abhandlung besonders betrifft, so ist die Herbeirufung | ||||||
| 11 | der Gnadenwirkungen von der letzteren Art und kann nicht in | ||||||
| 12 | die Maximen der Vernunft aufgenommen werden, wenn diese sich innerhalb | ||||||
| 13 | ihren Grenzen hält; wie überhaupt nichts Übernatürliches, weil gerade | ||||||
| 14 | bei diesem aller Vernunftgebrauch aufhört. - Denn sie theoretisch | ||||||
| 15 | woran kennbar zu machen (daß sie Gnaden=, nicht innere Naturwirkungen | ||||||
| 16 | sind) ist unmöglich, weil unser Gebrauch des Begriffs von Ursache und | ||||||
| 17 | Wirkung über Gegenstände der Erfahrung, mithin über die Natur hinaus | ||||||
| 18 | nicht erweitert werden kann; die Voraussetzung aber einer praktischen | ||||||
| 19 | Benutzung dieser Idee ist ganz sich selbst widersprechend. Denn als Benutzung | ||||||
| 20 | würde sie eine Regel von dem voraussetzen, was wir (in gewisser | ||||||
| 21 | Absicht) Gutes selbst zu thun haben, um etwas zu erlangen; eine Gnadenwirkung | ||||||
| 22 | aber zu erwarten bedeutet gerade das Gegentheil, nämlich daß | ||||||
| 23 | das Gute (das Moralische) nicht unsere, sondern die That eines andern | ||||||
| 24 | Wesens sein werde, wir also sie durch Nichtsthun allein erwerben | ||||||
| 25 | können, welches sich widerspricht. Wir können sie also als etwas Unbegreifliches | ||||||
| 26 | einräumen, aber sie weder zum theoretischen noch praktischen | ||||||
| 27 | Gebrauch in unsere Maxime aufnehmen. | ||||||
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