Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 029 |
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| 01 | sich darin von einer Anlage, daß er zwar angeboren sein kann, aber doch | ||||||
| 02 | nicht als solcher vorgestellt werden darf: sondern auch (wenn er gut ist) | ||||||
| 03 | als erworben, oder (wenn er böse ist) als von dem Menschen selbst sich | ||||||
| 04 | zugezogen gedacht werden kann. - Es ist aber hier nur vom Hange zum | ||||||
| 05 | eigentlich, d. i. zum Moralisch=Bösen die Rede, welches, da es nur als Bestimmung | ||||||
| 06 | der freien Willkür möglich ist, diese aber als gut oder böse nur | ||||||
| 07 | durch ihre Maximen beurtheilt werden kann, in dem subjectiven Grunde | ||||||
| 08 | der Möglichkeit der Abweichung der Maximen vom moralischen Gesetze | ||||||
| 09 | bestehen muß und, wenn dieser Hang als allgemein zum Menschen (also | ||||||
| 10 | als zum Charakter seiner Gattung) gehörig angenommen werden darf, | ||||||
| 11 | ein natürlicher Hang des Menschen zum Bösen genannt werden wird. | ||||||
| 12 | - Man kann noch hinzusetzen, daß die aus dem natürlichen Hange entspringende | ||||||
| 13 | Fähigkeit oder Unfähigkeit der Willkür, das moralische Gesetz | ||||||
| 14 | in seine Maxime aufzunehmen oder nicht, das gute oder böse Herz genannt | ||||||
| 15 | werde. | ||||||
| 16 | Man kann sich drei verschiedene Stufen desselben denken. Erstlich | ||||||
| 17 | ist es die Schwäche des menschlichen Herzens in Befolgung genommener | ||||||
| 18 | Maximen überhaupt, oder die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur; | ||||||
| 19 | zweitens der Hang zur Vermischung unmoralischer Triebfedern mit den | ||||||
| 20 | moralischen (selbst wenn es in guter Absicht und unter Maximen des | ||||||
| 21 | Guten geschähe), d. i. die Unlauterkeit; drittens der Hang zur Annehmung | ||||||
| 22 | böser Maximen, d. i. die Bösartigkeit der menschlichen Natur, | ||||||
| 23 | oder des menschlichen Herzens. | ||||||
| 24 | Erstlich, die Gebrechlichkeit ( fragilitas ) der menschlichen Natur ist | ||||||
| 25 | selbst in der Klage eines Apostels ausgedrückt: Wollen habe ich wohl, aber | ||||||
| 26 | das Vollbringen fehlt, d. i. ich nehme das Gute (das Gesetz) in die Maxime | ||||||
| 27 | meiner Willkür auf; aber dieses, welches objectiv in der Idee ( in thesi ) | ||||||
| 28 | eine unüberwindliche Triebfeder ist, ist subjectiv ( in hypothesi ), wenn die | ||||||
| 29 | Maxime befolgt werden soll, die schwächere (in Vergleichung mit der | ||||||
| 30 | Neigung). | ||||||
| 31 | Zweitens, die Unlauterkeit ( impuritas, improbitas ) des menschlichen | ||||||
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