| Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 005 | |||||||
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| 01 | der Freiheit überhaupt enthält, ist ihr genug. Aber aus der Moral geht | ||||||
| 02 | doch ein Zweck hervor; denn es kann der Vernunft doch unmöglich gleichgültig | ||||||
| 03 | sein, wie die Beantwortung der Frage ausfallen möge: was dann | ||||||
| 04 | aus diesem unserm Rechthandeln herauskomme, und worauf wir, | ||||||
| 05 | gesetzt auch, wir hätten dieses nicht völlig in unserer Gewalt, doch als auf | ||||||
| 06 | einen Zweck unser Thun und Lassen richten könnten, um damit wenigstens | ||||||
| 07 | zusammen zu stimmen. So ist es zwar nur eine Idee von einem Objecte, | ||||||
| 08 | welches die formale Bedingung aller Zwecke, wie wir sie haben sollen (die | ||||||
| 09 | Pflicht), und zugleich alles damit zusammenstimmende Bedingte aller derjenigen | ||||||
| 10 | Zwecke, die wir haben, (die jener ihrer Beobachtung angemeßne | ||||||
| 11 | Glückseligkeit) zusammen vereinigt in sich enthält, das ist, die Idee eines | ||||||
| 12 | höchsten Guts in der Welt, zu dessen Möglichkeit wir ein höheres, moralisches, | ||||||
| 13 | heiligstes und allvermögendes Wesen annehmen müssen, das | ||||||
| 14 | allein beide Elemente desselben vereinigen kann; aber diese Idee ist | ||||||
| 15 | (praktisch betrachtet) doch nicht leer: weil sie unserm natürlichen Bedürfnisse | ||||||
| 16 | zu allem unserm Thun und Lassen im Ganzen genommen irgend einen | ||||||
| 17 | Endzweck, der von der Vernunft gerechtfertigt werden kann, zu denken abhilft, | ||||||
| 18 | welches sonst ein Hinderniß der moralischen Entschließung sein | ||||||
| 19 | würde. Aber, was hier das Vornehmste ist, diese Idee geht aus der Moral | ||||||
| 20 | hervor und ist nicht die Grundlage derselben; ein Zweck, welchen sich zu | ||||||
| 21 | machen, schon sittliche Grundsätze voraussetzt. Es kann also der Moral | ||||||
| 22 | nicht gleichgültig sein, ob sie sich den Begriff von einem Endzweck aller | ||||||
| 23 | Dinge (wozu zusammen zu stimmen, zwar die Zahl ihrer Pflichten nicht | ||||||
| 24 | vermehrt, aber doch ihnen einen besondern Beziehungspunkt der Vereinigung | ||||||
| 25 | aller Zwecke verschafft) mache, oder nicht: weil dadurch allein der | ||||||
| 26 | Verbindung der Zweckmäßigkeit aus Freiheit mit der Zweckmäßigkeit der | ||||||
| 27 | Natur, deren wir gar nicht entbehren können, objectiv praktische Realität | ||||||
| 28 | verschafft werden kann. Setzt einen Menschen, der das moralische Gesetz | ||||||
| 29 | verehrt und sich den Gedanken beifallen läßt (welches er schwerlich vermeiden | ||||||
| 30 | kann), welche Welt er wohl, durch die praktische Vernunft geleitet, | ||||||
| 31 | erschaffen würde, wenn es in seinem Vermögen wäre, und zwar so, daß | ||||||
| 32 | er sich selbst als Glied in dieselbe hineinsetzte, so würde er sie nicht allein | ||||||
| 33 | gerade so wählen, als es jene moralische Idee vom höchsten Gut mit sich | ||||||
| 34 | bringt, wenn ihm bloß die Wahl überlassen wäre, sondern er würde auch | ||||||
| 35 | wollen, daß eine Welt überhaupt existire, weil das moralische Gesetz will, | ||||||
| 36 | daß das höchste durch uns mögliche Gut bewirkt werde, ob er sich gleich | ||||||
| 37 | nach dieser Idee selbst in Gefahr sieht, für seine Person an Glückseligkeit | ||||||
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