Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 547

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 widerstehen, unterschieden ist: so folgt, daß in aller Mittheilung der      
  02 Bewegung Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich seien      
  03 (daß jeder Stoß nur vermittelst eines gleichen Gegenstoßes, jeder Druck      
  04 vermittelst eines gleichen Gegendrucks, imgleichen jeder Zug nur durch      
  05 einen gleichen Gegenzug die Bewegung eines Körpers dem andern mittheilen      
  06 könne.))*      
           
           
    *) In der Phoronomie, da die Bewegung eines Körpers blos in Ansehung des Raums als Veränderung der Relation in demselben betrachtet wurde, war es ganz gleichgültig, ob ich den Körper im Raume, oder an statt dessen dem relativen Raume eine gleiche, aber entgegengesetzte Bewegung zugestehen wollte; beides gab völlig einerlei Erscheinung. Die Quantität der Bewegung des Raums war blos die Geschwindigkeit und daher die des Körpers gleichfalls nichts als seine Geschwindigkeit (weswegen er als ein bloßer beweglicher Punkt betrachtet werden konnte). In der Mechanik aber, da ein Körper in Bewegung gegen einen anderen betrachtet wird, gegen den er durch seine Bewegung ein Causalverhältniß hat, nämlich das, ihn selbst zu bewegen, indem er entweder bei seiner Annäherung durch die Kraft der Undurchdringlichkeit, oder seiner Entfernung durch die Kraft der Anziehung mit ihm in Gemeinschaft kommt, da ist es nicht mehr gleichgültig, ob ich einem dieser Körper, oder dem Raume eine entgegengesetzte Bewegung zueignen will. Denn nunmehr kommt ein anderer Begriff der Quantität der Bewegung ins Spiel, nämlich nicht derjenigen, die blos in Ansehung des Raumes gedacht wird und allein in der Geschwindigkeit besteht, sondern derjenigen, wobei zugleich die Quantität der Substanz (als bewegende Ursache) in Anschlag gebracht werden muß, und es ist hier nicht mehr beliebig, sondern nothwendig, jeden der beiden Körper als bewegt anzunehmen und zwar mit gleicher Quantität der Bewegung in entgegengesetzter Richtung; wenn aber der eine relative in Ansehung des Raumes in Ruhe ist, ihm die erforderliche Bewegung zusammt dem Raume beizulegen. Denn einer kann auf den anderen durch seine eigene Bewegung nicht wirken, als entweder bei der Annäherung vermittelst der Zurückstoßungskraft, oder bei der Entfernung vermittelst der Anziehung. Da beide Kräfte nun jederzeit beiderseitig in entgegengesetzten Richtungen und gleich wirken, so kann kein Körper vermittelst ihrer durch seine Bewegung auf einen anderen wirken, ohne gerade so viel, als der andere mit gleicher Quantität der Bewegung entgegenwirkt. Also kann kein Körper einem schlechthin ruhigen durch seine Bewegung Bewegung ertheilen, sondern dieser muß gerade mit derselben Quantität der Bewegung (zusammt dem Raume) in entgegengesetzter Richtung bewegt sein, als diejenige ist, die er durch die Bewegung des ersteren und in der Richtung desselben erhalten soll. - Der Leser wird leicht inne werden, daß unerachtet des etwas Ungewöhnlichen, welches diese Vorstellungsart der Mittheilung der Bewegung an sich hat, sie sich dennoch in das hellste Licht stellen lasse, wenn man die Weitläuftigkeit der Erläuterung nicht scheuet.      
           
     

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