Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 503

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Materie, dadurch sie aufhört ein Theil zu sein, ist die Trennung.      
  02 Die Trennung der Theile einer Materie ist die physische      
  03 Theilung.      
           
  04
Anmerkung.
     
           
  05 Der Begriff einer Substanz bedeutet das letzte Subject der Existenz, d. i. dasjenige,      
  06 was selbst nicht wiederum blos als Prädicat zur Existenz eines anderen gehört.      
  07 Nun ist Materie das Subject alles dessen, was im Raume zur Existenz der      
  08 Dinge gezählt werden mag; denn außer ihr würde sonst kein Subject gedacht werden      
  09 können, als der Raum selbst; welcher aber ein Begriff ist, der noch gar nichts      
  10 Existirendes, sondern blos die nothwendigen Bedingungen der äußeren Relation      
  11 möglicher Gegenstände äußerer Sinne enthält. Also ist Materie als das Bewegliche      
  12 im Raume die Substanz in demselben. Aber eben so werden auch alle Theile      
  13 derselben, so fern man von ihnen nur sagen kann, daß sie selbst Subjecte und nicht      
  14 blos Prädicate von anderen Materien seien, Substanzen, mithin selbst wiederum      
  15 Materie heißen müssen. Sie sind aber selbst Subjecte, wenn sie für sich beweglich      
  16 und also auch außer der Verbindung mit anderen Nebentheilen etwas im Raume      
  17 Existirendes sind. Also ist die eigene Beweglichkeit der Materie oder irgend eines      
  18 Theils derselben zugleich ein Beweis dafür, daß dieses Bewegliche und ein jeder      
  19 bewegliche Theil desselben Substanz sei.      
           
  20
Lehrsatz 4.
     
           
  21 Die Materie ist ins Unendliche theilbar und zwar in      
  22 Theile, deren jeder wiederum Materie ist.      
           
  23
Beweis.
     
           
  24 Die Materie ist undurchdringlich und zwar durch ihre ursprüngliche      
  25 Ausdehnungskraft (Lehrs. 3), diese aber ist nur die Folge der repulsiven      
  26 Kräfte eines jeden Punkts in einem von Materie erfüllten Raum. Nun      
  27 ist der Raum, den die Materie erfüllt, ins Unendliche mathematisch theilbar,      
  28 d. i. seine Theile können ins Unendliche unterschieden, obgleich nicht      
  29 bewegt, folglich auch nicht getrennt werden (nach Beweisen der Geometrie).      
  30 In einem mit Materie erfüllten Raume aber enthält jeder Theil desselben      
  31 repulsive Kraft, allen übrigen nach allen Seiten entgegen zu wirken, mithin      
  32 sie zurück zu treiben und von ihnen eben so wohl zurückgetrieben, d. i.      
  33 zur Entfernung von denselben bewegt, zu werden. Mithin ist ein jeder      
           
     

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