Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 431 |
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| 01 | Bedingung der Freiheit der Handlungen eines jeden Menschen ist) ist nicht | ||||||
| 02 | aus der Erfahrung entlehnt: erstlich wegen seiner Allgemeinheit, da es | ||||||
| 03 | auf alle vernünftige Wesen überhaupt geht, worüber etwas zu bestimmen | ||||||
| 04 | keine Erfahrung zureicht; zweitens weil darin die Menschheit nicht als | ||||||
| 05 | Zweck der Menschen (subjectiv), d. i. als Gegenstand, den man sich von | ||||||
| 06 | selbst wirklich zum Zwecke macht, sondern als objectiver Zweck, der, wir | ||||||
| 07 | mögen Zwecke haben, welche wir wollen, als Gesetz die oberste einschränkende | ||||||
| 08 | Bedingung aller subjectiven Zwecke ausmachen soll, vorgestellt wird, | ||||||
| 09 | mithin es aus reiner Vernunft entspringen muß. Es liegt nämlich der | ||||||
| 10 | Grund aller praktischen Gesetzgebung objectiv in der Regel und der | ||||||
| 11 | Form der Allgemeinheit, die sie ein Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu sein | ||||||
| 12 | fähig macht (nach dem ersten Princip), subjectiv aber im Zwecke; das | ||||||
| 13 | Subject aller Zwecke aber ist jedes vernünftige Wesen, als Zweck an sich | ||||||
| 14 | selbst (nach dem zweiten Princip): hieraus folgt nun das dritte praktische | ||||||
| 15 | Princip des Willens, als oberste Bedingung der Zusammenstimmung desselben | ||||||
| 16 | mit der allgemeinen praktischen Vernunft, die Idee des Willens | ||||||
| 17 | jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden | ||||||
| 18 | Willens. | ||||||
| 19 | Alle Maximen werden nach diesem Princip verworfen, die mit der | ||||||
| 20 | eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen | ||||||
| 21 | können. Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, | ||||||
| 22 | sondern so unterworfen, daß er auch als selbstgesetzgebend und eben | ||||||
| 23 | um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten | ||||||
| 24 | kann) unterworfen angesehen werden muß. | ||||||
| 25 | Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, nämlich der allgemein | ||||||
| 26 | einer Naturordnung ähnlichen Gesetzmäßigkeit der Handlungen, | ||||||
| 27 | oder des allgemeinen Zwecksvorzuges vernünftiger Wesen an sich selbst, | ||||||
| 28 | schlossen zwar von ihrem gebietenden Ansehen alle Beimischung irgend | ||||||
| 29 | eines Interesse als Triebfeder aus, eben dadurch daß sie als kategorisch | ||||||
| 30 | vorgestellt wurden; sie wurden aber nur als kategorisch angenommen, | ||||||
| 31 | weil man dergleichen annehmen mußte, wenn man den Begriff von Pflicht | ||||||
| 32 | erklären wollte. Daß es aber praktische Sätze gäbe, die kategorisch geböten, | ||||||
| 33 | könnte für sich nicht bewiesen werden, so wenig wie es überhaupt in | ||||||
| 34 | diesem Abschnitte auch hier noch nicht geschehen kann; allein eines hätte | ||||||
| 35 | doch geschehen können, nämlich: daß die Lossagung von allem Interesse | ||||||
| 36 | beim Wollen aus Pflicht, als das specifische Unterscheidungszeichen des | ||||||
| 37 | kategorischen vom hypothetischen Imperativ, in dem Imperativ selbst durch | ||||||
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