Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 430 |
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01 | einstimmen und also selbst den Zweck dieser Handlung enthalten. | ||||||
02 | Deutlicher fällt dieser Widerstreit gegen das Princip anderer Menschen | ||||||
03 | in die Augen, wenn man Beispiele von Angriffen auf Freiheit und Eigenthum | ||||||
04 | anderer herbeizieht. Denn da leuchtet klar ein, daß der Übertreter | ||||||
05 | der Rechte der Menschen, sich der Person anderer bloß als Mittel zu bedienen, | ||||||
06 | gesonnen sei, ohne in Betracht zu ziehen, daß sie als vernünftige | ||||||
07 | Wesen jederzeit zugleich als Zwecke, d. i. nur als solche, die von eben derselben | ||||||
08 | Handlung auch in sich den Zweck müssen enthalten können, geschätzt | ||||||
09 | werden sollen*). | ||||||
10 | Drittens, in Ansehung der zufälligen (verdienstlichen) Pflicht gegen | ||||||
11 | sich selbst ists nicht genug, daß die Handlung nicht der Menschheit in unserer | ||||||
12 | Person als Zweck an sich selbst widerstreite, sie muß auch dazu zusammenstimmen. | ||||||
13 | Nun sind in der Menschheit Anlagen zu größerer | ||||||
14 | Vollkommenheit, die zum Zwecke der Natur in Ansehung der Menschheit | ||||||
15 | in unserem Subject gehören; diese zu vernachlässigen, würde allenfalls | ||||||
16 | wohl mit der Erhaltung der Menschheit als Zwecks an sich selbst, aber | ||||||
17 | nicht der Beförderung dieses Zwecks bestehen können. | ||||||
18 | Viertens, in Betreff der verdienstlichen Pflicht gegen andere ist der | ||||||
19 | Naturzweck, den alle Menschen haben, ihre eigene Glückseligkeit. Nun | ||||||
20 | würde zwar die Menschheit bestehen können, wenn niemand zu des andern | ||||||
21 | Glückseligkeit was beitrüge, dabei aber ihr nichts vorsetzlich entzöge; allein | ||||||
22 | es ist dieses doch nur eine negative und nicht positive Übereinstimmung zur | ||||||
23 | Menschheit als Zweck an sich selbst, wenn jedermann auch nicht die | ||||||
24 | Zwecke anderer, so viel an ihm ist, zu befördern trachtete. Denn das Subject, | ||||||
25 | welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke müssen, wenn jene Vorstellung | ||||||
26 | bei mir alle Wirkung thun soll, auch, so viel möglich, meine | ||||||
27 | Zwecke sein. | ||||||
28 | Dieses Princip der Menschheit und jeder vernünftigen Natur überhaupt, | ||||||
29 | als Zwecks an sich selbst, (welche die oberste einschränkende | ||||||
*) Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis fieri etc. zur Richtschnur oder Princip dienen könne. Denn es ist, obzwar mit verschiedenen Einschränkungen, nur aus jenem abgeleitet; es kann kein allgemeines Gesetz sein, denn es enthält nicht den Grund der Pflichten gegen sich selbst, nicht der Liebespflichten gegen andere (denn mancher würde es gerne eingehen, daß andere ihm nicht wohlthun sollen, wenn er es nur überhoben sein dürfte, ihnen Wohlthat zu erzeigen), endlich nicht der schuldigen Pflichten gegen einander; denn der Verbrecher würde aus diesem Grunde gegen seine strafenden Richter argumentiren, u. s. w.. | |||||||
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