| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 529 | |||||||
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| 01 | sich befaßt. Denn wie wollten wir unter verschiedenen Willen vollkommene | ||||||
| 02 | Einheit der Zwecke finden? Dieser Wille muß allgewaltig sein, damit die | ||||||
| 03 | ganze Natur und deren Beziehung auf Sittlichkeit in der Welt ihm unterworfen | ||||||
| 04 | sei; allwissend, damit er das Innerste der Gesinnungen und deren | ||||||
| 05 | moralischen Werth erkenne; allgegenwärtig, damit er unmittelbar allem | ||||||
| 06 | Bedürfnisse, welches das höchste Weltbeste erfordert, nahe sei; ewig, damit | ||||||
| 07 | in keiner Zeit diese Übereinstimmung der Natur und Freiheit ermangele, | ||||||
| 08 | u. s. w. | ||||||
| 09 | Aber diese systematische Einheit der Zwecke in dieser Welt der Intelligenzen, | ||||||
| 10 | welche, obzwar als bloße Natur nur Sinnenwelt, als ein System | ||||||
| 11 | der Freiheit aber intelligibele, d. i. moralische, Welt ( regnum gratiae ) | ||||||
| 12 | genannt werden kann, führt unausbleiblich auch auf die zweckmäßige Einheit | ||||||
| 13 | aller Dinge, die dieses große Ganze ausmachen, nach allgemeinen | ||||||
| 14 | Naturgesetzen, so wie die erstere nach allgemeinen und nothwendigen | ||||||
| 15 | Sittengesetzen und vereinigt die praktische Vernunft mit der speculativen. | ||||||
| 16 | Die Welt muß als aus einer Idee entsprungen vorgestellt werden, wenn | ||||||
| 17 | sie mit demjenigen Vernunftgebrauch, ohne welchen wir uns selbst der | ||||||
| 18 | Vernunft unwürdig halten würden, nämlich dem moralischen, als welcher | ||||||
| 19 | durchaus auf der Idee des höchsten Guts beruht, zusammenstimmen soll. | ||||||
| 20 | Dadurch bekommt alle Naturforschung eine Richtung nach der Form eines | ||||||
| 21 | Systems der Zwecke und wird in ihrer höchsten Ausbreitung Physikotheologie. | ||||||
| 22 | Diese aber, da sie doch von sittlicher Ordnung, als einer in dem | ||||||
| 23 | Wesen der Freiheit gegründeten und nicht durch äußere Gebote zufällig | ||||||
| 24 | gestifteten Einheit, anhob, bringt die Zweckmäßigkeit der Natur auf Gründe, | ||||||
| 25 | die a priori mit der inneren Möglichkeit der Dinge unzertrennlich verknüpft | ||||||
| 26 | sein müssen und dadurch auf eine transscendentale Theologie, | ||||||
| 27 | die sich das Ideal der höchsten ontologischen Vollkommenheit zu einem | ||||||
| 28 | Princip der systematischen Einheit nimmt, welches nach allgemeinen und | ||||||
| 29 | nothwendigen Naturgesetzen alle Dinge verknüpft, weil sie alle in der absoluten | ||||||
| 30 | Nothwendigkeit eines einigen Urwesens ihren Ursprung haben. | ||||||
| 31 | Was können wir für einen Gebrauch von unserem Verstande | ||||||
| 32 | machen selbst in Ansehung der Erfahrung, wenn wir uns nicht Zwecke | ||||||
| 33 | vorsetzen? Die höchsten Zwecke aber sind die der Moralität, und diese | ||||||
| 34 | kann uns nur reine Vernunft zu erkennen geben. Mit diesen nun versehen | ||||||
| 35 | und an dem Leitfaden derselben können wir von der Kenntniß der | ||||||
| 36 | Natur selbst keinen zweckmäßigen Gebrauch in Ansehung der Erkenntniß | ||||||
| 37 | machen, wo die Natur nicht selbst zweckmäßige Einheit hingelegt hat; | ||||||
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