Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 518 |
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| 01 | möglich ist, da giebt es keinen Kanon. Nun ist alle synthetische Erkenntniß | ||||||
| 02 | der reinen Vernunft in ihrem speculativen Gebrauche nach | ||||||
| 03 | allen bisher geführten Beweisen gänzlich unmöglich. Also giebt es gar | ||||||
| 04 | keinen Kanon des speculativen Gebrauchs derselben (denn dieser ist durch | ||||||
| 05 | und durch dialektisch), sondern alle transscendentale Logik ist in dieser Absicht | ||||||
| 06 | nichts als Disciplin. Folglich wenn es überall einen richtigen Gebrauch | ||||||
| 07 | der reinen Vernunft giebt, in welchem Fall es auch einen Kanon | ||||||
| 08 | derselben geben muß, so wird dieser nicht den speculativen, sondern | ||||||
| 09 | den praktischen Vernunftgebrauch betreffen, den wir also jetzt untersuchen | ||||||
| 10 | wollen. | ||||||
| 11 | Des Kanons der reinen Vernunft |
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| 12 | Erster Abschnitt. |
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| 13 | Von dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs |
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| 14 | unserer Vernunft. |
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| 15 | Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur getrieben, über | ||||||
| 16 | den Erfahrungsgebrauch hinaus zu gehen, sich in einem reinen Gebrauche | ||||||
| 17 | und vermittelst bloßer Ideen zu den äußersten Grenzen aller Erkenntniß | ||||||
| 18 | hinaus zu wagen und nur allererst in der Vollendung ihres Kreises, in | ||||||
| 19 | einem für sich bestehenden systematischen Ganzen, Ruhe zu finden. Ist | ||||||
| 20 | nun diese Bestrebung bloß auf ihr speculatives, oder vielmehr einzig und | ||||||
| 21 | allein auf ihr praktisches Interesse gegründet? | ||||||
| 22 | Ich will das Glück, welches die reine Vernunft in speculativer Absicht | ||||||
| 23 | macht, jetzt bei Seite setzen und frage nur nach den Aufgaben, deren | ||||||
| 24 | Auflösung ihren letzten Zweck ausmacht, sie mag diesen nun erreichen oder | ||||||
| 25 | nicht, und in Ansehung dessen alle andere bloß den Werth der Mittel haben. | ||||||
| 26 | Diese höchste Zwecke werden nach der Natur der Vernunft wiederum | ||||||
| 27 | Einheit haben müssen, um dasjenige Interesse der Menschheit, welches | ||||||
| 28 | keinem höheren untergeordnet ist, vereinigt zu befördern. | ||||||
| 29 | Die Endabsicht, worauf die Speculation der Vernunft im transscendentalen | ||||||
| 30 | Gebrauche zuletzt hinausläuft, betrifft drei Gegenstände: die | ||||||
| 31 | Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes. | ||||||
| 32 | In Ansehung aller drei ist das bloß speculative Interesse der Vernunft | ||||||
| 33 | nur sehr gering, und in Absicht auf dasselbe würde wohl schwerlich eine | ||||||
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