Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 502 |
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| 01 | zwar an sich selbst für die Vernunftfragen nicht befriedigend, | ||||||
| 02 | aber doch vorübend, um ihre Vorsichtigkeit zu erwecken und auf gründliche | ||||||
| 03 | Mittel zu weisen, die sie in ihren rechtmäßigen Besitzen sichern können. | ||||||
| 04 | Des ersten Hauptstücks |
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| 05 | Dritter Abschnitt. |
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| 06 | Die Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung der |
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| 07 | Hypothesen. |
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| 08 | Weil wir denn durch Kritik unserer Vernunft endlich soviel wissen, | ||||||
| 09 | daß wir in ihrem reinen und speculativen Gebrauche in der That gar | ||||||
| 10 | nichts wissen können: sollte sie nicht ein desto weiteres Feld zu Hypothesen | ||||||
| 11 | eröffnen, da es wenigstens vergönnt ist, zu dichten und zu meinen, | ||||||
| 12 | wenn gleich nicht zu behaupten? | ||||||
| 13 | Wo nicht etwa Einbildungskraft schwärmen, sondern unter der | ||||||
| 14 | strengen Aufsicht der Vernunft dichten soll, so muß immer vorher etwas | ||||||
| 15 | völlig gewiß und nicht erdichtet oder bloße Meinung sein, und das ist die | ||||||
| 16 | Möglichkeit des Gegenstandes selbst. Alsdann ist es wohl erlaubt, wegen | ||||||
| 17 | der Wirklichkeit desselben zur Meinung seine Zuflucht zu nehmen, die | ||||||
| 18 | aber, um nicht grundlos zu sein, mit dem, was wirklich gegeben und folglich | ||||||
| 19 | gewiß ist, als Erklärungsgrund in Verknüpfung gebracht werden | ||||||
| 20 | muß und alsdann Hypothese heißt. | ||||||
| 21 | Da wir uns nun von der Möglichkeit der dynamischen Verknüpfung | ||||||
| 22 | a priori nicht den mindesten Begriff machen können, und die Kategorie | ||||||
| 23 | des reinen Verstandes nicht dazu dient, dergleichen zu erdenken, sondern | ||||||
| 24 | nur, wo sie in der Erfahrung angetroffen wird, zu verstehen: so können | ||||||
| 25 | wir nicht einen einzigen Gegenstand nach einer neuen und empirisch nicht | ||||||
| 26 | anzugebenden Beschaffenheit diesen Kategorien gemäß ursprünglich aussinnen | ||||||
| 27 | und sie einer erlaubten Hypothese zum Grunde legen; denn dieses | ||||||
| 28 | hieße, der Vernunft leere Hirngespinnste statt der Begriffe von Sachen | ||||||
| 29 | unterzulegen. So ist es nicht erlaubt, sich irgend neue ursprüngliche | ||||||
| 30 | Kräfte zu erdenken, z. B. einen Verstand, der vermögend sei, seinen Gegenstand | ||||||
| 31 | ohne Sinne anzuschauen, oder eine Ausdehnungskraft ohne alle | ||||||
| 32 | Berührung, oder eine neue Art Substanzen, z. B. die ohne Undurchdringlichkeit | ||||||
| 33 | im Raume gegenwärtig wäre, folglich auch keine Gemeinschaft | ||||||
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