Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 432

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 verfahren, indem sie sich eine Idee zum Ziele setzte, die der Natureinrichtung      
  02 ganz widerspräche. Auch kann man nicht sagen, sie habe zuvor von      
  03 der zufälligen Beschaffenheit der Natur diese Einheit nach Principien der      
  04 Vernunft abgenommen. Denn das Gesetz der Vernunft, sie zu suchen, ist      
  05 nothwendig, weil wir ohne dasselbe gar keine Vernunft, ohne diese aber      
  06 keinen zusammenhängenden Verstandesgebrauch und in dessen Ermangelung      
  07 kein zureichendes Merkmal empirischer Wahrheit haben würden, und      
  08 wir also in Ansehung des letzteren die systematische Einheit der Natur      
  09 durchaus als objectiv gültig und nothwendig voraussetzen müssen.      
           
  10 Wir finden diese transscendentale Voraussetzung auch auf eine bewundernswürdige      
  11 Weise in den Grundsätzen der Philosophen versteckt,      
  12 wiewohl sie solche darin nicht immer erkannt, oder sich selbst gestanden      
  13 haben. Daß alle Mannigfaltigkeiten einzelner Dinge die Identität der      
  14 Art nicht ausschließen; daß die mancherlei Arten nur als verschiedentliche      
  15 Bestimmungen von wenigen Gattungen, diese aber von noch höheren      
  16 Geschlechtern etc. behandelt werden müssen; daß also eine gewisse systematische      
  17 Einheit aller möglichen empirischen Begriffe, so fern sie von      
  18 höheren und allgemeineren abgeleitet werden können, gesucht werden      
  19 müsse: ist eine Schulregel oder logisches Princip, ohne welches kein Gebrauch      
  20 der Vernunft stattfände, weil wir nur so fern vom Allgemeinen      
  21 aufs Besondere schließen können, als allgemeine Eigenschaften der Dinge      
  22 zum Grunde gelegt werden, unter denen die besonderen stehen.      
  23 Daß aber auch in der Natur eine solche Einhelligkeit angetroffen      
  24 werde, setzen die Philosophen in der bekannten Schulregel voraus: daß      
  25 man die Anfänge (Principien) nicht ohne Noth vervielfältigen müsse      
  26 ( entia praeter necessitatem non esse multiplicanda ). Dadurch wird gesagt,      
  27 daß die Natur der Dinge selbst zur Vernunfteinheit Stoff darbiete,      
  28 und die anscheinende unendliche Verschiedenheit dürfe uns nicht abhalten,      
  29 hinter ihr Einheit der Grundeigenschaften zu vermuthen, von welchen die      
  30 Mannigfaltigkeit nur durch mehrere Bestimmung abgeleitet werden kann.      
  31 Dieser Einheit, ob sie gleich eine bloße Idee ist, ist man zu allen Zeiten      
  32 so eifrig nachgegangen, daß man eher Ursache gefunden, die Begierde      
  33 nach ihr zu mäßigen, als sie aufzumuntern. Es war schon viel, daß die      
  34 Scheidekünstler alle Salze auf zwei Hauptgattungen, saure und laugenhafte,      
  35 zurückführen konnten, sie versuchen sogar auch diesen Unterschied      
  36 bloß als eine Varietät oder verschiedene Äußerung eines und desselben      
  37 Grundstoffs anzusehen. Die mancherlei Arten von Erden (den Stoff der      
           
     

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