Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 427

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die erstern einen bloßen, aber unwiderstehlichen Schein bewirken, dessen      
  02 Täuschung man kaum durch die schärfste Kritik abhalten kann.      
           
  03 Alles, was in der Natur unserer Kräfte gegründet ist, muß zweckmäßig      
  04 und mit dem richtigen Gebrauche derselben einstimmig sein, wenn      
  05 wir nur einen gewissen Mißverstand verhüten und die eigentliche Richtung      
  06 derselben ausfindig machen können. Also werden die transscendentalen      
  07 Ideen allem Vermuthen nach ihren guten und folglich immanenten      
  08 Gebrauch haben, obgleich, wenn ihre Bedeutung verkannt und sie für Begriffe      
  09 von wirklichen Dingen genommen werden, sie transscendent in der      
  10 Anwendung und eben darum trüglich sein können. Denn nicht die Idee      
  11 an sich selbst, sondern bloß ihr Gebrauch kann entweder in Ansehung der      
  12 gesammten möglichen Erfahrung überfliegend (transscendent), oder      
  13 einheimisch (immanent) sein, nachdem man sie entweder geradezu auf      
  14 einen ihr vermeintlich entsprechenden Gegenstand, oder nur auf den Verstandesgebrauch      
  15 überhaupt in Ansehung der Gegenstände, mit welchen er      
  16 zu thun hat, richtet; und alle Fehler der Subreption sind jederzeit einem      
  17 Mangel der Urtheilskraft, niemals aber dem Verstande oder der Vernunft      
  18 zuzuschreiben.      
           
  19 Die Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf einen Gegenstand,      
  20 sondern lediglich auf den Verstand und vermittelst desselben auf ihren      
  21 eigenen empirischen Gebrauch, schafft also keine Begriffe (von Objecten),      
  22 sondern ordnet sie nur und giebt ihnen diejenige Einheit, welche sie in      
  23 ihrer größtmöglichen Ausbreitung haben können, d. i. in Beziehung auf      
  24 die Totalität der Reihen, als auf welche der Verstand gar nicht sieht, sondern      
  25 nur auf diejenige Verknüpfung, dadurch allerwärts Reihen der      
  26 Bedingungen nach Begriffen zu Stande kommen. Die Vernunft hat      
  27 also eigentlich nur den Verstand und dessen zweckmäßige Anstellung zum      
  28 Gegenstande; und wie dieser das Mannigfaltige im Object durch Begriffe      
  29 vereinigt, so vereinigt jene ihrerseits das Mannigfaltige der Begriffe durch      
  30 Ideen, indem sie eine gewisse collective Einheit zum Ziele der Verstandeshandlungen      
  31 setzt, welche sonst nur mit der distributiven Einheit beschäftigt      
  32 sind.      
           
  33 Ich behaupte demnach: die transscendentalen Ideen sind niemals      
  34 von constitutivem Gebrauche, so daß dadurch Begriffe gewisser Gegenstände      
  35 gegeben würden, und in dem Falle, daß man sie so versteht, sind es bloß      
           
     

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