Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 397 |
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| 01 | sein, welche die sich nach und nach erweiternde Vernunft nimmt, und in | ||||||
| 02 | der wir sie auch zuerst gestellt haben. Denn es wird sich zeigen: daß, obgleich | ||||||
| 03 | Erfahrung den ersten Anlaß dazu giebt, dennoch bloß der transscendentale | ||||||
| 04 | Begriff die Vernunft in dieser ihrer Bestrebung leite und | ||||||
| 05 | in allen solchen Versuchen das Ziel ausstecke, das sie sich vorgesetzt hat. | ||||||
| 06 | Ich werde also von der Prüfung des transscendentalen Beweises anfangen | ||||||
| 07 | und nachher sehen, was der Zusatz des Empirischen zur Vergrößerung | ||||||
| 08 | seiner Beweiskraft thun könne. | ||||||
| 09 | Des dritten Hauptstücks |
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| 10 | Vierter Abschnitt. |
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| 11 | Von der Unmöglichkeit eines ontologischen Beweises |
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| 12 | vom Dasein Gottes. |
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| 13 | Man sieht aus dem bisherigen leicht: daß der Begriff eines absolut | ||||||
| 14 | nothwendigen Wesens ein reiner Vernunftbegriff, d. i. eine bloße Idee, sei, | ||||||
| 15 | deren objective Realität dadurch, daß die Vernunft ihrer bedarf, noch lange | ||||||
| 16 | nicht bewiesen ist, welche auch nur auf eine gewisse, obzwar unerreichbare | ||||||
| 17 | Vollständigkeit Anweisung giebt und eigentlich mehr dazu dient, den Verstand | ||||||
| 18 | zu begrenzen, als ihn auf neue Gegenstände zu erweitern. Es findet | ||||||
| 19 | sich hier nun das Befremdliche und Widersinnische, daß der Schluß von | ||||||
| 20 | einem gegebenen Dasein überhaupt auf irgend ein schlechthin nothwendiges | ||||||
| 21 | Dasein dringend und richtig zu sein scheint, und wir gleichwohl alle | ||||||
| 22 | Bedingungen des Verstandes, sich einen Begriff von einer solchen Nothwendigkeit | ||||||
| 23 | zu machen, gänzlich wider uns haben. | ||||||
| 24 | Man hat zu aller Zeit von dem absolut nothwendigen Wesen geredet | ||||||
| 25 | und sich nicht sowohl Mühe gegeben, zu verstehen, ob und wie man sich | ||||||
| 26 | ein Ding von dieser Art auch nur denken könne, als vielmehr dessen Dasein | ||||||
| 27 | zu beweisen. Nun ist zwar eine Namenerklärung von diesem Begriffe ganz | ||||||
| 28 | leicht, daß es nämlich so etwas sei, dessen Nichtsein unmöglich ist; aber | ||||||
| 29 | man wird hiedurch um nichts klüger in Ansehung der Bedingungen, die | ||||||
| 30 | es unmöglich machen, das Nichtsein eines Dinges als schlechterdings undenklich | ||||||
| 31 | anzusehen, und die eigentlich dasjenige sind, was man wissen will, | ||||||
| 32 | nämlich ob wir uns durch diesen Begriff überall etwas denken, oder nicht. | ||||||
| 33 | Denn alle Bedingungen, die der Verstand jederzeit bedarf, um etwas als | ||||||
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