| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 368 | |||||||
| Zeile: 
 | Text (Kant): 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| 01 | so fern in seinen Handlungen von aller Naturnothwendigkeit, als die lediglich | ||||||
| 02 | in der Sinnenwelt angetroffen wird, unabhängig und frei sein. Man | ||||||
| 03 | würde von ihm ganz richtig sagen, daß es seine Wirkungen in der Sinnenwelt | ||||||
| 04 | von selbst anfange, ohne daß die Handlung in ihm selbst anfängt; | ||||||
| 05 | und dieses würde gültig sein, ohne daß die Wirkungen in der Sinnenwelt | ||||||
| 06 | darum von selbst anfangen dürfen, weil sie in derselben jederzeit durch | ||||||
| 07 | empirische Bedingungen in der vorigen Zeit, aber doch nur vermittelst des | ||||||
| 08 | empirischen Charakters (der bloß die Erscheinung des intelligibelen ist) | ||||||
| 09 | vorher bestimmt und nur als eine Fortsetzung der Reihe der Naturursachen | ||||||
| 10 | möglich sind. So würde denn Freiheit und Natur, jedes in seiner vollständigen | ||||||
| 11 | Bedeutung, bei eben denselben Handlungen, nachdem man sie | ||||||
| 12 | mit ihrer intelligibelen oder sensibelen Ursache vergleicht, zugleich und | ||||||
| 13 | ohne allen Widerstreit angetroffen werden. | ||||||
| 14 | Erläuterung | ||||||
| 15 | der kosmologischen Idee einer Freiheit | ||||||
| 16 | in Verbindung mit der allgemeinen Naturnothwendigkeit. | ||||||
| 17 | Ich habe gut gefunden, zuerst den Schattenriß der Auflösung unseres | ||||||
| 18 | transscendentalen Problems zu entwerfen, damit man den Gang der Vernunft | ||||||
| 19 | in Auflösung desselben dadurch besser übersehen möge. Jetzt wollen | ||||||
| 20 | wir die Momente ihrer Entscheidung, auf die es eigentlich ankommt, auseinander | ||||||
| 21 | setzen und jedes besonders in Erwägung ziehen. | ||||||
| 22 | Das Naturgesetz, daß alles, was geschieht, eine Ursache habe, daß | ||||||
| 23 | die Causalität dieser Ursache, d. i. die Handlung, da sie in der Zeit | ||||||
| 24 | vorhergeht und in Betracht einer Wirkung, die da entstanden, selbst | ||||||
| 25 | nicht immer gewesen sein kann, sondern geschehen sein muß, auch ihre | ||||||
| 26 | Ursache unter den Erscheinungen habe, dadurch sie bestimmt wird, und | ||||||
| 27 | daß folglich alle Begebenheiten in einer Naturordnung empirisch bestimmt | ||||||
| 28 | sind: dieses Gesetz, durch welches Erscheinungen allererst eine Natur ausmachen | ||||||
| 29 | und Gegenstände einer Erfahrung abgeben können, ist ein Verstandesgesetz, | ||||||
| 30 | von welchem es unter keinem Vorwande erlaubt ist abzugehen | ||||||
| 31 | oder irgend eine Erscheinung davon auszunehmen; weil man sie sonst | ||||||
| 32 | außerhalb aller möglichen Erfahrung setzen, dadurch aber von allen Gegenständen | ||||||
| 33 | möglicher Erfahrung unterscheiden, und sie zum bloßen Gedankendinge | ||||||
| 34 | und einem Hirngespinst machen würde. | ||||||
| [ Seite 367 ] [ Seite 369 ] [ Inhaltsverzeichnis ] | |||||||