Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 335 |
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| 01 | eines empirisch gegebenen und also auch nach Erfahrungsgesetzen | ||||||
| 02 | zu erkennenden Objects macht. Die dogmatische Auflösung ist also nicht | ||||||
| 03 | etwa ungewiß, sondern unmöglich. Die kritische aber, welche völlig gewiß | ||||||
| 04 | sein kann, betrachtet die Frage gar nicht objectiv, sondern nach dem Fundamente | ||||||
| 05 | der Erkenntniß, worauf sie gegründet ist. | ||||||
| 06 | Der |
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| 07 | Antinomie der reinen Vernunft |
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| 08 | Fünfter Abschnitt. |
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| 09 | Sceptische Vorstellung der kosmologischen Fragen durch |
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| 10 | alle vier transscendentale Ideen. |
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| 11 | Wir würden von der Forderung gern abstehen, unsere Fragen dogmatisch | ||||||
| 12 | beantwortet zu sehen, wenn wir schon zum voraus begriffen: die | ||||||
| 13 | Antwort möchte ausfallen, wie sie wollte, so würde sie unsere Unwissenheit | ||||||
| 14 | nur noch vermehren und uns aus einer Unbegreiflichkeit in eine | ||||||
| 15 | andere, aus einer Dunkelheit in eine noch größere und vielleicht gar in | ||||||
| 16 | Widersprüche stürzen. Wenn unsere Frage bloß auf Bejahung oder Verneinung | ||||||
| 17 | gestellt ist, so ist es klüglich gehandelt, die vermuthlichen Gründe | ||||||
| 18 | der Beantwortung vor der Hand dahingestellt sein zu lassen und zuvörderst | ||||||
| 19 | in Erwägung zu ziehen, was man denn gewinnen würde, wenn die Antwort | ||||||
| 20 | auf die eine, und was, wenn sie auf die Gegenseite ausfiele. Trifft | ||||||
| 21 | es sich nun, daß in beiden Fällen lauter Sinnleeres ( Nonsens ) herauskommt, | ||||||
| 22 | so haben wir eine gegründete Aufforderung, unsere Frage selbst | ||||||
| 23 | kritisch zu untersuchen und zu sehen: ob sie nicht selbst auf einer grundlosen | ||||||
| 24 | Voraussetzung beruhe und mit jener Idee spiele, die ihre Falschheit | ||||||
| 25 | besser in der Anwendung und durch ihre Folgen, als in der abgesonderten | ||||||
| 26 | Vorstellung verräth. Das ist der große Nutzen, den die sceptische Art hat, | ||||||
| 27 | die Fragen zu behandeln, welche reine Vernunft an reine Vernunft thut, | ||||||
| 28 | und wodurch man eines großen dogmatischen Wustes mit wenig Aufwand | ||||||
| 29 | überhoben sein kann, um an dessen Statt eine nüchterne Kritik zu setzen, | ||||||
| 30 | die als ein wahres Kathartikon den Wahn zusammt seinem Gefolge, der | ||||||
| 31 | Vielwisserei, glücklich abführen wird. | ||||||
| 32 | Wenn ich demnach von einer kosmologischen Idee zum voraus einsehen | ||||||
| 33 | könnte, daß, auf welche Seite des Unbedingten der regressiven Synthesis | ||||||
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