| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 326 | |||||||
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| 01 | ohne Ende erweitern kann. Hier kann und soll er den Gegenstand sowohl | ||||||
| 02 | an sich selbst, als in seinen Verhältnissen der Anschauung darstellen, | ||||||
| 03 | oder doch in Begriffen, deren Bild in gegebenen ähnlichen Anschauungen | ||||||
| 04 | klar und deutlich vorgelegt werden kann. Nicht allein daß er nicht nöthig | ||||||
| 05 | hat, diese Kette der Naturordnung zu verlassen, um sich an Ideen zu hängen, | ||||||
| 06 | deren Gegenstände er nicht kennt, weil sie als Gedankendinge niemals | ||||||
| 07 | gegeben werden können; sondern es ist ihm nicht einmal erlaubt, sein Geschäfte | ||||||
| 08 | zu verlassen und unter dem Vorwande, es sei nunmehr zu Ende | ||||||
| 09 | gebracht, in das Gebiet der idealisirenden Vernunft und zu transscendenten | ||||||
| 10 | Begriffen überzugehen, wo er nicht weiter nöthig hat zu beobachten | ||||||
| 11 | und den Naturgesetzen gemäß zu forschen, sondern nur zu denken und zu | ||||||
| 12 | dichten, sicher, daß er nicht durch Thatsachen der Natur widerlegt werden | ||||||
| 13 | könne, weil er an ihr Zeugniß eben nicht gebunden ist, sondern sie vorbeigehen, | ||||||
| 14 | oder sie sogar selbst einem höheren Ansehen, nämlich dem der reinen | ||||||
| 15 | Vernunft, unterordnen darf. | ||||||
| 16 | Der Empirist wird es daher niemals erlauben, irgend eine Epoche | ||||||
| 17 | der Natur für die schlechthin erste anzunehmen, oder irgend eine Grenze | ||||||
| 18 | seiner Aussicht in den Umfang derselben als die äußerste anzusehen, oder | ||||||
| 19 | von den Gegenständen der Natur, die er durch Beobachtung und Mathematik | ||||||
| 20 | auflösen und in der Anschauung synthetisch bestimmen kann, (dem | ||||||
| 21 | Ausgedehnten) zu denen überzugehen, die weder Sinn, noch Einbildungskraft | ||||||
| 22 | jemals in concreto darstellen kann (dem Einfachen); noch einräumen, | ||||||
| 23 | daß man selbst in der Natur ein Vermögen, unabhängig von Gesetzen | ||||||
| 24 | der Natur zu wirken, (Freiheit) zum Grunde lege und dadurch dem | ||||||
| 25 | Verstande sein Geschäfte schmälere, an dem Leitfaden nothwendiger Regeln | ||||||
| 26 | dem Entstehen der Erscheinungen nachzuspüren; noch endlich zugeben, | ||||||
| 27 | daß man irgend wozu die Ursache außerhalb der Natur suche (Urwesen), | ||||||
| 28 | weil wir nichts weiter als diese kennen, indem sie es allein ist, welche uns | ||||||
| 29 | Gegenstände darbietet und von ihren Gesetzen unterrichten kann. | ||||||
| 30 | Zwar wenn der empirische Philosoph mit seiner Antithese keine andere | ||||||
| 31 | Absicht hat, als den Vorwitz und die Vermessenheit der ihre wahre | ||||||
| 32 | Bestimmung verkennenden Vernunft niederzuschlagen, welche mit Einsicht | ||||||
| 33 | und Wissen groß thut, da wo eigentlich Einsicht und Wissen aufhören, | ||||||
| 34 | und das, was man in Ansehung des praktischen Interesse gelten | ||||||
| 35 | läßt, für eine Beförderung des speculativen Interesse ausgeben will, um, | ||||||
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