Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 226  | 
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| 01 | Einschränkungen (nicht aus diesem Begriffe hinauszugehen), welche | ||||||
| 02 | allen empirischen Gebrauch derselben verkehren und eben dadurch beweisen, | ||||||
| 03 | daß die Vorstellung eines Gegenstandes als Dinges überhaupt nicht etwa | ||||||
| 04 | bloß unzureichend, sondern ohne sinnliche Bestimmung derselben und | ||||||
| 05 | unabhängig von empirischer Bedingung in sich selbst widerstreitend | ||||||
| 06 | sei, daß man also entweder von allem Gegenstande abstrahiren (in der | ||||||
| 07 | Logik), oder, wenn man einen annimmt, ihn unter Bedingungen der sinnlichen | ||||||
| 08 | Anschauung denken müsse, mithin das Intelligibele eine ganz besondere | ||||||
| 09 | Anschauung, die wir nicht haben, erfordern würde und in Ermangelung | ||||||
| 10 | derselben für uns nichts sei, dagegen aber auch die Erscheinungen | ||||||
| 11 | nicht Gegenstände an sich selbst sein können. Denn wenn ich mir bloß | ||||||
| 12 | Dinge überhaupt denke, so kann freilich die Verschiedenheit der äußeren | ||||||
| 13 | Verhältnisse nicht eine Verschiedenheit der Sachen selbst ausmachen, sondern | ||||||
| 14 | setzt diese vielmehr voraus, und wenn der Begriff von dem Einen | ||||||
| 15 | innerlich von dem des Andern gar nicht unterschieden ist, so setze ich nur | ||||||
| 16 | ein und dasselbe Ding in verschiedene Verhältnisse. Ferner, durch hinzukunft | ||||||
| 17 | einer bloßen Bejahung (Realität) zur andern wird ja das Positive | ||||||
| 18 | vermehrt und ihm nichts entzogen, oder aufgehoben; daher kann das Reale | ||||||
| 19 | in Dingen überhaupt einander nicht widerstreiten u. s. w. | ||||||
| 20 | Die Begriffe der Reflexion haben, wie wir gezeigt haben, durch eine | ||||||
| 21 | gewisse Mißdeutung einen solchen Einfluß auf den Verstandesgebrauch, | ||||||
| 22 | daß sie sogar einen der scharfsichtigsten unter allen Philosophen zu einem | ||||||
| 23 | vermeinten System intellectueller Erkenntniß, welches seine Gegenstände | ||||||
| 24 | ohne Dazukunft der Sinne zu bestimmen unternimmt, zu verleiten im | ||||||
| 25 | Stande gewesen. Eben um deswillen ist die Entwickelung der täuschenden | ||||||
| 26 | Ursache der Amphibolie dieser Begriffe in Veranlassung falscher Grundsätze | ||||||
| 27 | von großem Nutzen, die Grenzen des Verstandes zuverlässig zu bestimmen | ||||||
| 28 | und zu sichern. | ||||||
| 29 | Man muß zwar sagen: was einem Begriff allgemein zukommt oder | ||||||
| 30 | widerspricht, das kommt auch zu oder widerspricht allem Besondern, was | ||||||
| 31 | unter jenem Begriff enthalten ist ( dictum de Omni et Nullo ); es wäre | ||||||
| 32 | aber ungereimt, diesen logischen Grundsatz dahin zu verändern, daß er so | ||||||
| 33 | lautete: was in einem allgemeinen Begriffe nicht enthalten ist, das ist | ||||||
| 34 | auch in den besonderen nicht enthalten, die unter demselben stehen; denn | ||||||
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