| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 217 | |||||||
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| 01 | selbst. So kann man bei zwei Tropfen Wasser von aller innern Verschiedenheit | ||||||
| 02 | (der Qualität und Quantität) völlig abstrahiren, und es ist genug, | ||||||
| 03 | daß sie in verschiedenen Örtern zugleich angeschaut werden, um sie | ||||||
| 04 | für numerisch verschieden zu halten. Leibniz nahm die Erscheinungen | ||||||
| 05 | als Dinge an sich selbst, mithin für intelligibilia , d. i. Gegenstände des | ||||||
| 06 | reinen Verstandes (ob er gleich wegen der Verworrenheit ihrer Vorstellungen | ||||||
| 07 | dieselben mit dem Namen der Phänomene belegte), und da konnte | ||||||
| 08 | sein Satz des Nichtzuunterscheidenden ( principium identitatis indiscernibilium ) | ||||||
| 09 | allerdings nicht bestritten werden; da sie aber Gegenstände | ||||||
| 10 | der Sinnlichkeit sind, und der Verstand in Ansehung ihrer nicht | ||||||
| 11 | von reinem, sondern bloß empirischem Gebrauche ist, so wird die Vielheit | ||||||
| 12 | und numerische Verschiedenheit schon durch den Raum selbst als die Bedingung | ||||||
| 13 | der äußeren Erscheinungen angegeben. Denn ein Theil des | ||||||
| 14 | Raums, ob er zwar einem andern völlig ähnlich und gleich sein mag, ist | ||||||
| 15 | doch außer ihm und eben dadurch ein vom ersteren verschiedener Theil, | ||||||
| 16 | der zu ihm hinzukommt, um einen größeren Raum auszumachen; und | ||||||
| 17 | dieses muß daher von allem, was in den mancherlei Stellen des Raums | ||||||
| 18 | zugleich ist, gelten, so sehr es sich sonst auch ähnlich und gleich sein mag. | ||||||
| 19 | 2. Einstimmung und Widerstreit.Wenn Realität nur durch den | ||||||
| 20 | reinen Verstand vorgestellt wird ( realitas noumenon ), so läßt sich zwischen | ||||||
| 21 | den Realitäten kein Widerstreit denken, d. i. ein solches Verhältniß, da | ||||||
| 22 | sie, in einem Subject verbunden, einander ihre Folgen aufheben, und | ||||||
| 23 | 3-3 = 0 sei. Dagegen kann das Reale in der Erscheinung ( realitas | ||||||
| 24 | phaenomenon ) unter einander allerdings im Widerstreit sein und, vereint | ||||||
| 25 | in demselben Subject, eines die Folge des andern ganz oder zum Theil | ||||||
| 26 | vernichten, wie zwei bewegende Kräfte in derselben geraden Linie, sofern | ||||||
| 27 | sie einen Punkt in entgegengesetzter Richtung entweder ziehen oder drücken, | ||||||
| 28 | oder auch ein Vergnügen, was dem Schmerze die Wage hält. | ||||||
| 29 | 3. Das Innere und Äußere.An einem Gegenstande des reinen | ||||||
| 30 | Verstandes ist nur dasjenige innerlich, welches gar keine Beziehung (dem | ||||||
| 31 | Dasein nach) auf irgend etwas von ihm Verschiedenes hat. Dagegen sind | ||||||
| 32 | die innern Bestimmungen einer substantia phaenomenon im Raume | ||||||
| 33 | nichts als Verhältnisse und sie selbst ganz und gar ein Inbegriff von lauter | ||||||
| 34 | Relationen. Die Substanz im Raume kennen wir nur durch Kräfte, | ||||||
| 35 | die in demselben wirksam sind, entweder andere dahin zu treiben (Anziehung), | ||||||
| 36 | oder vom Eindringen in ihn abzuhalten (Zurückstoßung und | ||||||
| 37 | Undurchdringlichkeit); andere Eigenschaften kennen wir nicht, die den Begriff | ||||||
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