Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 173 |
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Text (Kant):
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| 01 | vorgestellt, weil durch diese Folge, die allen Apprehensionen gemein | ||||||
| 02 | ist, nichts vom andern unterschieden wird. So bald ich aber wahrnehme | ||||||
| 03 | oder voraus annehme, daß in dieser Folge eine Beziehung auf den vorhergehenden | ||||||
| 04 | Zustand sei, aus welchem die Vorstellung nach einer Regel | ||||||
| 05 | folgt: so stellt sich etwas vor als Begebenheit, oder was da geschieht, d. i. | ||||||
| 06 | ich erkenne einen Gegenstand, den ich in der Zeit auf eine gewisse bestimmte | ||||||
| 07 | Stelle setzen muß, die ihm nach dem vorhergehenden Zustande nicht anders | ||||||
| 08 | ertheilt werden kann. Wenn ich also wahrnehme, daß etwas geschieht, | ||||||
| 09 | so ist in dieser Vorstellung erstlich enthalten: daß etwas vorhergehe, weil | ||||||
| 10 | eben in Beziehung auf dieses die Erscheinung ihr Zeitverhältniß bekommt, | ||||||
| 11 | nämlich nach einer vorhergehenden Zeit, in der sie nicht war, zu existiren. | ||||||
| 12 | Aber ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhältnisse kann sie nur dadurch | ||||||
| 13 | bekommen, daß im vorhergehenden Zustande etwas vorausgesetzt wird, | ||||||
| 14 | worauf es jederzeit, d. i. nach einer Regel, folgt; woraus sich denn ergiebt, | ||||||
| 15 | daß ich erstlich nicht die Reihe umkehren und das, was geschieht, demjenigen | ||||||
| 16 | voransetzen kann, worauf es folgt; zweitens daß, wenn der Zustand, | ||||||
| 17 | der vorhergeht, gesetzt wird, diese bestimmte Begebenheit unausbleiblich | ||||||
| 18 | und nothwendig folge. Dadurch geschieht es: daß eine Ordnung unter | ||||||
| 19 | unsern Vorstellungen wird, in welcher das Gegenwärtige (so fern es geworden) | ||||||
| 20 | auf irgend einen vorhergehenden Zustand Anweisung giebt, als | ||||||
| 21 | ein, obzwar noch unbestimmtes Correlatum dieses Eräugnisses, das gegeben | ||||||
| 22 | ist, welches sich aber auf dieses als seine Folge bestimmend bezieht | ||||||
| 23 | und sie nothwendig mit sich in der Zeitreihe verknüpft. | ||||||
| 24 | Wenn es nun ein nothwendiges Gesetz unserer Sinnlichkeit, mithin | ||||||
| 25 | eine formale Bedingung aller Wahrnehmungen ist, daß die vorige | ||||||
| 26 | Zeit die folgende nothwendig bestimmt (indem ich zur folgenden nicht anders | ||||||
| 27 | gelangen kann, als durch die vorhergehende): so ist es auch ein unentbehrliches | ||||||
| 28 | Gesetz der empirischen Vorstellung der Zeitreihe, daß | ||||||
| 29 | die Erscheinungen der vergangenen Zeit jedes Dasein in der folgenden | ||||||
| 30 | bestimmen, und daß diese als Begebenheiten nicht stattfinden, als so fern | ||||||
| 31 | jene ihnen ihr Dasein in der Zeit bestimmen, d. i. nach einer Regel festsetzen. | ||||||
| 32 | Denn nur an den Erscheinungen können wir diese Continuität | ||||||
| 33 | im Zusammenhange der Zeiten empirisch erkennen. | ||||||
| 34 | Zu aller Erfahrung und deren Möglichkeit gehört Verstand, und | ||||||
| 35 | das erste, was er dazu thut, ist nicht, daß er die Vorstellung der Gegenstände | ||||||
| 36 | deutlich macht, sondern daß er die Vorstellung eines Gegenstandes | ||||||
| 37 | überhaupt möglich macht. Dieses geschieht nun dadurch, daß er die Zeitordnung | ||||||
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