Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 045 |
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| 01 | ausmachen, vor Augen legen. Allein der ausführlichen Analysis dieser | ||||||
| 02 | Begriffe selbst, wie auch der vollständigen Recension der daraus abgeleiteten | ||||||
| 03 | enthält sie sich billig, theils weil diese Zergliederung nicht zweckmäßig | ||||||
| 04 | wäre, indem sie die Bedenklichkeit nicht hat, welche bei der Synthesis | ||||||
| 05 | angetroffen wird, um deren Willen eigentlich die ganze Kritik da ist, | ||||||
| 06 | theils weil es der Einheit des Plans zuwider wäre, sich mit der Verantwortung | ||||||
| 07 | der Vollständigkeit einer solchen Analysis und Ableitung zu befassen, | ||||||
| 08 | deren man in Ansehung seiner Absicht doch überhoben sein konnte. | ||||||
| 09 | Diese Vollständigkeit der Zergliederung sowohl, als der Ableitung aus | ||||||
| 10 | den künftig zu liefernden Begriffen a priori ist indessen leicht zu ergänzen, | ||||||
| 11 | wenn sie nur allererst als ausführliche Principien der Synthesis dasind, | ||||||
| 12 | und in Ansehung dieser wesentlichen Absicht nichts ermangelt. | ||||||
| 13 | Zur Kritik der reinen Vernunft gehört demnach alles, was die Transscendental | ||||||
| 14 | Philosophie ausmacht, und sie ist die vollständige Idee der | ||||||
| 15 | Transscendental=Philosophie, aber diese Wissenschaft noch nicht selbst, weil | ||||||
| 16 | sie in der Analysis nur so weit geht, als es zur vollständigen Beurtheilung | ||||||
| 17 | der synthetischen Erkenntniß a priori erforderlich ist. | ||||||
| 18 | Das vornehmste Augenmerk bei der Eintheilung einer solchen Wissenschaft | ||||||
| 19 | ist: daß gar keine Begriffe hineinkommen müssen, die irgend etwas | ||||||
| 20 | Empirisches in sich enthalten, oder daß die Erkenntniß a priori völlig rein | ||||||
| 21 | sei. Daher, obzwar die obersten Grundsätze der Moralität und die Grundbegriffe | ||||||
| 22 | derselben Erkenntnisse a priori sind, so gehören sie doch nicht in | ||||||
| 23 | die Transscendental=Philosophie, weil sie die Begriffe der Lust und Unlust, | ||||||
| 24 | der Begierden und Neigungen etc., die insgesammt empirischen Ursprungs | ||||||
| 25 | sind, zwar selbst nicht zum Grunde ihrer Vorschriften legen, aber | ||||||
| 26 | doch im Begriffe der Pflicht als Hinderniß, das überwunden, oder als | ||||||
| 27 | Anreitz, der nicht zum Bewegungsgrunde gemacht werden soll, nothwendig | ||||||
| 28 | in die Abfassung des Systems der reinen Sittlichkeit mit hineinziehen | ||||||
| 29 | müssen. Daher ist die Transscendental=Philosophie eine Weltweisheit | ||||||
| 30 | der reinen, bloß speculativen Vernunft. Denn alles Praktische, so fern es | ||||||
| 31 | Triebfedern enthält, bezieht sich auf Gefühle, welche zu empirischen Erkenntnißquellen | ||||||
| 32 | gehören. | ||||||
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