Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 043 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | ist das Vermögen, welches die Principien der Erkenntniß a priori an | ||||||
| 02 | die Hand giebt. Daher ist reine Vernunft diejenige, welche die Principien, | ||||||
| 03 | etwas schlechthin a priori zu erkennen, enthält. Ein Organon der reinen | ||||||
| 04 | Vernunft würde ein Inbegriff derjenigen Principien sein, nach denen alle | ||||||
| 05 | reine Erkenntnisse a priori können erworben und wirklich zu Stande gebracht | ||||||
| 06 | werden. Die ausführliche Anwendung eines solchen Organon | ||||||
| 07 | würde ein System der reinen Vernunft verschaffen. Da dieses aber sehr | ||||||
| 08 | viel verlangt ist, und es noch dahin steht, ob auch hier überhaupt eine | ||||||
| 09 | Erweiterung unserer Erkenntniß und in welchen Fällen sie möglich sei: | ||||||
| 10 | so können wir eine Wissenschaft der bloßen Beurtheilung der reinen Vernunft, | ||||||
| 11 | ihrer Quellen und Grenzen als die Propädeutik zum System der | ||||||
| 12 | reinen Vernunft ansehen. Eine solche würde nicht eine Doctrin, sondern | ||||||
| 13 | nur Kritik der reinen Vernunft heißen müssen, und ihr Nutzen würde in | ||||||
| 14 | Ansehung der Speculation wirklich nur negativ sein, nicht zur Erweiterung, | ||||||
| 15 | sondern nur zur Läuterung unserer Vernunft dienen und sie von | ||||||
| 16 | Irrthümern frei halten, welches schon sehr viel gewonnen ist. Ich nenne | ||||||
| 17 | alle Erkenntniß transscendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, | ||||||
| 18 | sondern mit unserer Erkenntnißart von Gegenständen, so fern diese a priori | ||||||
| 19 | möglich sein soll, überhaupt beschäftigt. Ein System solcher Begriffe | ||||||
| 20 | würde Transscendental=Philosophie heißen. Diese ist aber | ||||||
| 21 | wiederum für den Anfang noch zu viel. Denn weil eine solche Wissenschaft | ||||||
| 22 | sowohl die analytische Erkenntniß, als die synthetische a priori vollständig | ||||||
| 23 | enthalten müßte, so ist sie, so weit es unsere Absicht betrifft, von | ||||||
| 24 | zu weitem Umfange, indem wir die Analysis nur so weit treiben dürfen, | ||||||
| 25 | als sie unentbehrlich nothwendig ist, um die Principien der Synthesis | ||||||
| 26 | a priori, als warum es uns nur zu thun ist, in ihrem ganzen Umfange | ||||||
| 27 | einzusehen. Diese Untersuchung, die wir eigentlich nicht Doctrin, sondern | ||||||
| 28 | nur transscendentale Kritik nennen können, weil sie nicht die Erweiterung | ||||||
| 29 | der Erkenntnisse selbst, sondern nur die Berichtigung derselben zur Absicht | ||||||
| [ Seite 042 ] [ Seite 044 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||