Kant: AA II, Die falsche Spitzfindigkeit der ... , Seite 055

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 geschlossen werden soll, und ist gar kein Vernunftschluß nach der      
  02 logischen Ordnung, in der allein die Eintheilung der vier Figuren möglich      
  03 ist, welches bei der verneinenden Schlußart in derselben Figur sich ganz      
  04 anders befindet. Es wird nämlich so heißen müssen:      
           
  05 Ein jeder Geist ist einfach;      
  06 Alles Einfache ist unverweslich;      
  07 Also ein jeder Geist ist unverweslich;      
  08 Mithin einiges Unverwesliche ist ein Geist.      
  09 Dieses schließt ganz richtig, allein ein dergleichen Vernunftschluß ist von      
  10 dem in der ersten Figur nicht durch eine andere Stelle des mittlern Hauptbegriffs      
  11 unterschieden, sondern nur darin, daß die Stellen der Vordersätze      
  12 verändert worden*) und in dem Schlußsatze die Stellen der Hauptbegriffe.      
  13 Darin besteht aber gar nicht die Veränderung der Figur. Einen Fehler      
  14 von dieser Art findet man an dem angeführten Orte der Crusischen Logik,      
  15 wo man durch diese Freiheit, die Stelle der Vordersätze zu verändern,      
  16 geglaubt hat in der vierten Figur und zwar natürlicher zu schließen. Es      
  17 ist schade um die Mühe, die sich ein großer Geist giebt, an einer unnützen      
  18 Sache bessern zu wollen. Man kann nur was Nützliches thun, wenn man      
  19 sie vernichtigt.      
           
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§ 5.
     
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Die logische Eintheilung der vier syllogistischen Figuren
     
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ist eine falsche Spitzfindigkeit.
     
           
  23 Man kann nicht in Abrede sein, daß in allen diesen vier Figuren      
  24 richtig geschlossen werden könne. Nun ist aber unstreitig, daß sie alle, die      
  25 erste ausgenommen, nur durch einen Umschweif und eingemengte Zwischenschlüsse      
  26 die Folge bestimmen, und daß eben derselbe Schlußsatz aus dem      
  27 nämlichen Mittelbegriffe in der ersten Figur rein und unvermengt abfolgen      
  28 würde. Hier könnte man nun denken, daß darum die drei andere      
  29 Figuren höchstens unnütze, nicht aber falsch wären. Allein wenn man die      
           
    *) Denn wenn derjenige Satz der Obersatz ist, in dem das Prädicat der Conclusion vorkommt, so ist von der eigentlichen Conclusion, die hier aus den Vordersätzen unmittelbar fließt, der zweite Satz der Obersatz und der erste der Untersatz. Alsdann ist aber alles nach der ersten Figur geschlossen, nur so, daß der aufgegebene Schlußsatz aus dem, welcher zunächst aus gedachten Urtheilen folgt, durch eine logische Umkehrung gezogen wird.      
           
     

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