Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 058 |
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| 01 | § 47. |
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| 02 | Man kann nicht ohne Vergnügen wahrnehmen, wie | Der Gedanke | |||||
| 03 | vortrefflich diese Erklärung, der man sich zur Vertheidigung | des Herrn | |||||
| 04 | der lebendigen Kräfte hat bedienen wollen, uns zu Waffen | Bernoulli | |||||
| 05 | dient, dieselbe vielmehr völlig niederzuschlagen. Denn da | bestätigt unsere | |||||
| 06 | es einmal gewiß ist, daß die Feder R den Körpern, deren | Meinung. | |||||
| 07 | Massen 1 und 3 sind, gleiche Kräfte ertheilt (§ 46), ferner daß die | ||||||
| 08 | Geschwindigkeit der Kugel, deren Masse 1 ist, dreifach und die Geschwindigkeit | ||||||
| 09 | der andern einfach sei, wie die Leibnizianer es selber gestehen: | ||||||
| 10 | so fließen daraus zwei Folgen, die beide den lebendigen Kräften | ||||||
| 11 | schnurstracks widerstreiten. Erstlich, daß die Kraft, die ein Körper | ||||||
| 12 | durch den Druck der Federn erhält, sich nicht wie die Anzahl der | ||||||
| 13 | Federn verhalte, welche ihn fortgestoßen haben, sondern vielmehr wie | ||||||
| 14 | die Zeit der Wirkung derselben; zweitens, daß ein Körper, der eine | ||||||
| 15 | einfache Masse und eine dreifache Geschwindigkeit hat, nicht mehr | ||||||
| 16 | Kraft habe, als ein anderer, der dreimal mehr Masse, aber nur eine | ||||||
| 17 | einfache Geschwindigkeit besitzt. | ||||||
| 18 | § 48. |
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| 19 | Bis hieher haben wir gesehen, wie sich Leibnizens | Vertheidigung | |||||
| 20 | Anhänger des Zusammenstoßes elastischer Körper bedient | der lebendigen | |||||
| 21 | haben, die lebendige Kräfte dadurch zu vertheidigen. Allein | Kräfte durch | |||||
| 22 | die Anwendung derselben war bloß mathematisch. Sie | die beständige | |||||
| 23 | haben aber auch einen metaphysischen Grund in diesem | Erhaltung | |||||
| 24 | Stücke der Phoronomie zum Behuf ihrer Meinung zu | einerlei Größe | |||||
| 25 | finden vermeint. Herr von Leibniz ist selbst der Urheber | der Kraft in | |||||
| 26 | desselben, und sein Ansehen hat ihm kein geringes Gewicht ertheilt. | der Welt. | |||||
| 27 | Er nahm Cartesens Grundsatz willig an: daß sich in der Welt | ||||||
| 28 | immer einerlei Größe der Kraft erhalte, allein nur einer solchen Kraft, | ||||||
| 29 | deren Quantität nach dem Quadrate der Geschwindigkeit geschätzt | ||||||
| 30 | werden muß. Er zeigte, daß das alte Maß der Kraft diese schöne | ||||||
| 31 | Regel nicht verstatte. Denn wenn man dasselbe annimmt, so vermindere | ||||||
| 32 | oder vermehre sich die Kraft in der Natur unaufhörlich, nachdem | ||||||
| 33 | die Stellung der Körper gegen einander verändert wird. Leibniz | ||||||
| 34 | glaubte, es sei der Macht und Weisheit Gottes unanständig, daß er | ||||||
| 35 | genöthigt sein sollte, die Bewegung, die er seinem Werke mitgetheilt, | ||||||
| 36 | ohne Unterlaß wieder zu erneuren, wie Herr Newton sich einbildete, | ||||||
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